IHK-Sommerempfang

Mehr Freiräume für Unternehmen

Fachkräftemangel und bürokratische Hürden lähmen zusehends auch die Betriebe der Region in ihrer Entwicklung. Das sagte die Horber Unternehmerin Claudia Gläser in Pforzheim.

14.07.2018

Von Werner Klein-Wiele

IHK-Präsidentin Claudia Gläser beim IHK-Sommerempfang in Pforzheim im Gespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (links) und IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler (rechts). Bilder: Klein-Wiele

IHK-Präsidentin Claudia Gläser beim IHK-Sommerempfang in Pforzheim im Gespräch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (links) und IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler (rechts). Bilder: Klein-Wiele

Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald sprach am Donnerstagabend im CongressCentrum zum Thema „Verantwortung übernehmen und Zukunft gestalten“ vor über 400 Gästen aus Politik und Wirtschaft. Darunter auch viele Repräsentanten aus dem Kreis Freudenstadt, wo Gläsers eigenes Familienunternehmen angesiedelt ist, sowie der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel und Landtagsabgeordneter Dr. Timm Kern. Die Stimmung in der IHK-Vollversammlung sei so aufgeheizt wie schon
lange nicht mehr, machte die Horber Unternehmerin deutlich, denn „viele Unternehmerinnen und Unternehmer schauen mit großer Sorge in die Zukunft“.
Dabei bräuchten sie mehr Freiräume, denn „ohne Pioniertaten können wir unseren Wohlstand nicht halten!“

Wenn die Politik schon neue Gesetze verabschiede, die die Gastronomie in der Arbeitszeit-Kapazität einschränke, dann müsse im Gegenzug rasch ein neues Einwanderungsgesetz her, damit die Betriebe unkompliziert auch außerhalb der Europäischen Union Mitarbeiter anwerben könnten, nannte Gläser ein Beispiel. Stattdessen werde auf europäischer Ebene mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung „eine weitere Schippe draufgelegt, die uns lähmt“ und in Deutschland „eine Politik der Angst vor Daten“ geschürt, die nicht angemessen sei. Dabei müsse endlich dem internationalen Firmendatenklau Einhalt geboten werden.

Aktuelle Konjunkturdaten bestätigten zwar, „dass das stabile Wachstum unserer exportstarken Wirtschaft weiter anhält“ und innovative Produkte sowie Dienstleistungen aus dem Nordschwarzwald auf der ganzen Welt gefragt seien, doch „bei uns fließen beileibe nicht nur Milch und Honig“. Die Horber Unternehmerin zeigte erste Anzeichen eines sich verschärfenden Arbeitskräftemangels auf, der den ländlichen Raum bereits erreicht habe: „Was nützt uns die gute Auftragslage, wenn wir niemanden haben, der die Maschinen bedient.“ Die IHK Nordschwarzwald wirke dem mit qualifizierter Aus- und Weiterbildung entgegen und stelle gemeinsam mit Unternehmern aus der Region die Weichen für die Regionalentwicklung „Strategie 2030+“, die ohne Kirchturmdenken das Wir-Gefühl stärke. Darüber hinaus „muss eine Symbiose aus Tourismus, Handel und Unternehmertum unser Ziel sein“, denn alle Branchen bräuchten lebendige Innenstädte mit bezahlbarem Wohnraum und guter Infrastruktur, um Touristen wie Fachkräfte gleichermaßen in den Nordschwarzwald zu locken.

Um neue Märkte zu erobern sollen in der Region die notwendigen Strukturen für eine vernetzte Arbeitswelt 4.0 geschaffen werden. Dazu zähle auch die Auseinandersetzung mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen und die Förderung einer dynamischen Gründungskultur. Die Ansiedlung eines Digital Hub als Impulsgeber in Horb, Nagold und Pforzheim falle zwar positiv ins Gewicht, doch dürfe sie nicht davon ablenken, dass es mit der Breitbandversorgung und dem Funknetz nicht zum Besten bestellt sei. Hier wie auch beim Öffentlichen Personennahverkehr sieht die IHK-Präsidentin dringenden Handlungsbedarf.

Misstrauen ist fehl am Platz

Als Gastredner hatte die IHK Professor Julian Nida-Rümelin für ihren Sommerempfang verpflichtet. Der namhafte Philosoph aus München, der auch Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröder war, betonte, dass die ökonomische Praxis nicht verantwortungsfrei sei, auch wenn es „extrem unbequem ist, Verantwortung zu tragen“. Ein Unternehmen sei nicht überlebensfähig, wenn es von Misstrauen geprägt werde. Vielmehr sei es „dringend erforderlich, von der Denke wegzukommen, dass der Mensch ohnehin nicht eigenverantwortlich handle“, schließlich sei er Autor seines Lebens.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten ernst genommen werden, auch im Zuge der Veränderungen durch die Digitalisierung, von der man noch nicht wisse, wie sie sich auf Wirtschaft und Arbeitsleben auswirke. Allerdings hätten sich Voraussagen über das papierlose Büro oder das Verschwinden von Büchern als genauso falsch erwiesen wie die Vernichtung von Arbeitsplätzen in großem Stil. Nach Ansicht des Gastredners werde das auch für die Digitalisierung gelten.

In Deutschland werde dreimal so viel produziert wie zum Beispiel in Frankreich oder England. Deshalb sei es wenig sinnvoll, das Silicon Valley mit seinen Internetanbietern in Deutschland zu kopieren. Nida-Rümelin forderte stattdessen mehr Optimismus sowie Vertrauen in die Zukunft und in den Menschen,
ihn als Mitarbeiter aber auch
in die Verantwortung zu nehmen. Und er sprach sich für eine eigene, „europäische Form der Digitalisierung“ aus, wohlwissend, dass „moderne Technologien dazu da sind, dem Menschen die Arbeit zu erleichtern“ und nicht, um ihm Arbeitsplätze wegzunehmen.

„Wir haben eine so hohe Produktivität in unserer Region, dass es uns gelingen muss, die Digitalisierung in Kombination mit den Menschen und ihrem Wissen
verantwortlich umzusetzen“, schlussfolgerte IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler aus den Worten des Philosophen. Nida-Rümelin habe den Unternehmern im Nordschwarzwald Mut gemacht, ihnen die Angst vor der Digitalisierung genommen, um sie stattdessen schöpferisch und kreativ zum Wohl der Menschen verantwortlich zu nutzen. Die Weiterqualifizierung und die Konzentration auf die technischen Herausforderungen nahm Keppler als wichtige Bausteine mit auf den Weg in die Zukunft.

Julian Nida-Rümelin als Gastredner beim Sommerempfang der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald in Pforzheim.

Julian Nida-Rümelin als Gastredner beim Sommerempfang der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald in Pforzheim.

Sprach vor über 400 Gästen beim IHK-Sommerempfang in Pforzheim: IHK-Präsidentin Claudia Gläser aus Horb.

Sprach vor über 400 Gästen beim IHK-Sommerempfang in Pforzheim: IHK-Präsidentin Claudia Gläser aus Horb.

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Erstellt:
14.07.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 14.07.2018, 01:00 Uhr

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