Die Gomaringer Kleinkunstbühne hört auf

Mehr als zwei Jahrzehnte hat das Organisationsteam Künstler von Rang und Namen auf die Bühnen geholt

Vor manchen Herausforderungen kapituliert selbst ein durch jahrelange Kulturarbeit geschultes Team. Trägt die Kulturhallenbühne ein Auto? Oder würde sie unter der Last zusammenbrechen? Diese Frage stellte sich ernsthaft, als der Auftritt des Zauberers Julius Frack nahte. Für sein Equipment habe er Lastwagen gebraucht, erzählen Petra Rupp-Wiese, Claudia Rapp und Regina Stiehle-Braun, drei der fünf wichtigsten Organisatorinnen der Gomaringer Kleinkunstbühne.

23.12.2016

Von Gabi Schweizer

Rückblick auf 23 Jahre Kulturarbeit: „Manchmal“ so erzählt Regina Stiehle-Braun (Mitte), hätten die Künstler in letzter Minute angerufen: „Sie brauchen Kinderbetreuung.“ „Oder ein Bügeleisen“, ergänzt Rupp-Wiese (links, ganz rechts Claudia Rapp). Das, findet Stiehle-Braun, „hat es ein bisschen hektisch gemacht, aber auch nett.“ Bild: Rippmann

Rückblick auf 23 Jahre Kulturarbeit: „Manchmal“ so erzählt Regina Stiehle-Braun (Mitte), hätten die Künstler in letzter Minute angerufen: „Sie brauchen Kinderbetreuung.“ „Oder ein Bügeleisen“, ergänzt Rupp-Wiese (links, ganz rechts Claudia Rapp). Das, findet Stiehle-Braun, „hat es ein bisschen hektisch gemacht, aber auch nett.“ Bild: Rippmann

Auf andere Weise kompliziert waren die Frites Foutues: Das Essen schmeckte ihnen nicht, an der Bühne mäkelten sie auch herum, – „aber die Show war super!“ „Am Schluss haben sie dann einen Kasten Bier mit nach draußen genommen.“ „Grachmusikoff zum Zehnjährigen – das war richtig schön“, schwärmt Rapp. „In der alten Lindenhalle noch, die jetzt abgerissen ist“, erinnert sich Stiehle-Braun. „Bodenständig – gut zu haben“, lobt Rupp-Wiese. Auch Christoph Sonntag schien ihr ein umgänglicher Typ – nur die Managerin etwas kompliziert. Mit einem Klicker habe sie gezählt, ob kein Stuhl zu viel oder zu wenig in der Halle stehe. Wer war nochmal Käthe Lachmann? Ach ja, der verschobene Auftritt. Und bei welcher Fußball-WM waren Martin Maier-Bode und Jens Neutag zu Gast? 4. April– kein Jahr auf dem Plakat. Aber 2006 muss es gewesen sein. Der TSV hat damals mitgemacht und viel neues Publikum mitgebracht.

23 Jahre Kulturprogramm, zunächst sechs Veranstaltungen pro Jahr, zu Spitzenzeiten acht, zuletzt deutlich weniger: Da ist viel zusammengekommen an Erinnerungen. Jetzt sitzen die Frauen im Büro von Rupp-Wiese, entfalten alte Plakate und halten Rückschau. Vor kurzem hat sich der Verein mit einem Auftritt von Pepper & Salt verabschiedet. Hauptsächlich, weil es immer schwieriger wurde, Veranstaltungen so zu füllen, dass unterm Strich eine schwarze Null herauskam. In den vergangenen Jahren, erzählt Rapp, „waren wir mit 50, 60 Leuten zufrieden. Aber das hat kaum gereicht, um die Gagen zu bezahlen.“ Bei großen Veranstaltungen wiederum schlügen die Nebenkosten für die Technik zu Buche.

Die Kleinkunstbühne hört aber auch auf, weil die Frauen nach so vielen Jahren des Aktivseins befanden, es sei Zeit. „Der Dampf ist raus“, gesteht Rupp-Wiese. Oft genug haben sie im Vorraum Sektgläser gefüllt, während drinnen ein Kabarettist auf der Bühne stand, den sie selbst gerne gesehen hätten. Oder Rupp-Wiese ist nochmal losgeflitzt, weil sie der knappen Getränke-Berechnung von Regina Stiehle-Braun nicht traute. Sie lachen beide, wenn sie daran denken: Das Nachgekaufte „war immer übrig“. Und das war nur der kleinste Teil der Arbeit. Während der Veranstaltungen konnten die fünf Haupt-Organisatorinnen auf rund 15 weitere Vereinsmitglieder zählen, die Stühle stellten und Getränke servierten. Was davor und danach an Organisation zu leisten war, haben sie zu fünft gestemmt – auch viel ungeliebte Papierarbeit, etwa für die Gema und die Künstlersozialkasse. Zum Team gehörten noch die Finanzzuständige Tanja Sautter und die „überall einsetzbare“ Jutta Koch. Schon seit vielen Jahren ist es eine reine Frauengruppe. „Das hat sich bewährt“, meint Rupp-Wiese augenzwinkernd und fügt dann ernst hinzu: „Wir haben uns immer aufeinander verlassen können.“

Die Initialzündung für die Kleinkunstbühne kam 1991: Im Zuge ihrer 800-Jahr-Feier holte die Gemeinde drei Mal Kleinkünstler nach Gomaringen. So etwas sollte es öfters geben, fanden einige Bürger/innen und gründeten zunächst einen Arbeitskreis, der die Gemeinde unterstützen sollte. 1993 wurde daraus ein Verein. Rupp-Wiese und Rapp waren von Beginn an dabei, Stiehle-Braun kam wenig später hinzu.

Damals, so erinnert sich Rapp, sei der Ort samt näherer Umgebung kulturell betrachtet der „weiße Fleck“ gewesen. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar – aber es gab eben noch keine Dußlinger Mediothek, keine Mössinger Pausa (als Veranstaltungsort), kein Nehrener Bürgerhaus, keinen Gönninger Lokschuppen. Auch die örtliche Bibliothek und Volkshochschule boten lange nicht so viel an wie heute.

In diesem kulturellen Brachland also legte die Kleinkunstbühne los – mit viel Anfangselan und meist in der Schloss-Schul-Aula, die bei der Technik ein gewisses Improvisationstalent erforderte und bei den Künstlern Gelassenheit, wenn sie den Physiksaal als Garderobe nutzen mussten. Was in der Region – und darüber hinaus – Rang und Namen hat in der Kleinkunst-Szene, war in Gomaringen zu Gast: Dietlinde Elsässer und Jakob Nacken, die Theater-Sportler, Helge Thun, Heiner Kondschak und Christof Altmann, das Theater Lindenhof und Fabian Schläper, Jess Jochimsen, Uli Keuler und die Drei vom Dohlengässle – manche Künstler auch zu Zeiten, als sie noch eher unbekannt waren. Ideen holte sich Claudia Rapp regelmäßig auf der Freiburger Kleinkunstbörse, ehe das Internet diese – eigentlich sehr schönen – Ausflüge als Informationsquelle ablöste.

Für ihre Veranstaltungen hat die Kleinkunstbühne vor allem in späteren Jahren fast immer Partner gewonnen – nicht nur, um das finanzielle Risiko zu teilen, sondern auch, um möglichst viel und verschiedenes Publikum zu gewinnen. Häufig kooperierte sie mit Vhs, Bibliothek und Buchhandlung Gustav, aber beispielsweise auch mit der Kirchengemeinde. Der Verein war gut vernetzt, vor allem durch Claudia Rapp, die bei der Gemeindeverwaltung für die Vereine zuständig ist. Sie selbst habe vor allem die Schlosshof-Veranstaltungen zusammen mit dem Obst- und Gartenbauverein sehr genossen, erzählt sie: Da gab’s Kunst zu schwäbischem Vesper vor schöner Kulisse, getrübt nur durch die stete Sorge, ob das Wetter halten werde. Wie knapp das technische Equipment vor zwei Jahren einem Regenguss entgangen ist! Noch heute ist Rupp-Wiese froh, dass sie damals die Pause verkürzt und damit die wenigen Minuten gewonnen haben, die den Verein vor einem mittleren Desaster bewahrten. Die Stühle wurden klatschnass, das Mischpult nicht.

„Natürlich sind wir ein bisschen wehmütig“, gibt Petra Rupp-Wiese zu. Gleichzeitig wissen sie und ihre Mitstreiterinnen, dass die Gomaringer kulturell auch künftig gut versorgt sind – weil Volkshochschule und Bibliothek ein üppiges Programm bieten, aber auch, weil immer mehr andere Vereine sich Kleinkunst gönnen. Erst kürzlich etwa hat das Rote Kreuz die Kabarettisten Eure Mütter zur Jubiläumsfeier eingeladen. Ganz abgesehen von Vereinen wie der Fördergemeinschaft Gomaringer Schloss, die ohnehin auf Kultur spezialisiert sind, und den Nachbargemeinden mit ihrem ebenfalls gewachsenen Angebot.

Julius Frack musste damals übrigens auf sein Auto verzichten – er bekam statt dessen ein Quad ausgeliehen. Dann stand der Zauberer-Weltmeister auf der Bühne. Rupp-Wiese erinnert sich gut daran: „Da haben wir uns angeschaut und gesagt: Und das in Gomaringen!“

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Erstellt:
23.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 02sec
zuletzt aktualisiert: 23.12.2016, 01:00 Uhr

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