Fußball

„Mein Trainer meinte, ich hätte immer so eine große Klappe“

Ilkay Gündogan hat er trainiert, mit Hannes Wolf einst studiert: Der Neu-Mössinger Andreas Weinberger coacht die U 12 des VfB Stuttgart.

08.10.2016

Von Moritz Hagemann

Die Spur von Andreas Weinberger beginnt in Sibirien. Genauer gesagt in Norilsk, der nördlichsten Großstadt der Erde, über die der Spiegel mal schrieb: „Der Schnee ist schwarz, die Luft schmeckt nach Schwefel, und die Lebenserwartung der Arbeiter in Norilsk liegt zehn Jahre unter dem – ohnehin niedrigen – russischen Durchschnitt.“ Ein solcher Arbeiter war auch der Vater von Andreas Weinberger. Früh ging die Familie jedoch nach Moldawien, der Heimat der Mutter. Nach dem bestandenen Abitur in Gelsenkirchen, wohin er mit acht Jahren kam, hat er sich aufgemacht aus seinem Hobby den Beruf zu machen: Fußballlehrer. Und so kam es, dass er in Bochum sein Studium der Sportwissenschaft abschloss und in Berlin noch den Masterabschluss in Leistungssport folgen ließ.

Früher selbst bis zur Verbandsliga aktiv zwang ihn ein Kreuzbandriss zum Karriereende. Als Weinberger selbst noch in der A-Jugend des SSV Buer kickte, kam sein Trainer zu ihm. „Die haben noch einen Trainer für die C-Jugend gesucht“, erzählt Weinberger. „Und er meinte, dass ich immer so eine große Klappe habe und das doch machen könnte.“ Weinberger lacht heute darüber. Dabei war das sein Türenöffner.

Beim SSV Buer spielte damals auch der 14-jährige Iklay Gündogan unter Weinberger, nachdem er in einem Probetraining überzeugt hatte. Erst im Sommer wechselte der 25-jährige Nationalspieler für kolportierte 27 Millionen Euro von Dortmund zu Manchester City. „Man hat damals schon gesehen, dass er richtig gut ist.“ Weinberger ging dann zum VfL Bochum, betreute dort die U12 und U15. Und machte Bekanntschaft mit den nächsten großen Namen: wie der Schalker Leon Goretzka, Kapitän der U21-Nationalmannschaft. Zwischendurch heuerte Weinberger beim TuS Querenburg an – mit 27 Jahren als Spielertrainer bei den Männern in der Bezirksliga. Über einen Bekannten saß Weinberger eine Saison darauf mit Hajo Sommers, dem Präsidenten von Rot-Weiß Oberhausen am Verhandlungstisch. Schnell waren sich beide einig, Weinberger stieg als Co-Trainer der U19 ein. Da war er bis Februar 2014. Trainer Gerd Gotsche musste gehen, zwei Interimstrainer kamen, für Weinberger war kein Platz mehr.

Weil seine Frau aus Sigmaringen kommt und die Familie mit dem bald einjährigen Sohn in Mössingen wohnt, kam Weinberger dann in die Region. Er jobbte in einem Tübinger Fitnessstudio und musste sich fußballerisch neu orientieren. „Im Ruhrgebiet kenne ich einige Leute aus dem Fußball sowie viele ehemalige Studienkollegen, die mittlerweile in den umliegenden Lizenzvereinen arbeiten“, sagt er. Hier sei er weitestgehend unbekannt, „das ist in dieser Branche ein Problem.“ Beim SSV Reutlingen II war in der Vorsaison nur der Co-Trainer-Posten unter Marko Mutapcic bei der U23 für Weinberger offen, allerdings bekam er im Laufe der Saison auch viele Einblicke in das Oberliga-Team. Weinberger sagt, dass der verpasste Aufstieg mit der U23 „dem Amateurbereich“ geschuldet sei. „Da sind Spieler halt im Urlaub oder nicht verfügbar“, sagt Weinberger. „Man hat da als Trainer nicht zu hundert Prozent Einfluss auf die Mannschaft.“

In Mössingen machte Weinberger zufällig Bekanntschaft mit dem umtriebigen Berater Karlheinz Eberle. Der stellte den Kontakt zum Nachwuchsbereich des VfB Stuttgart her. Weinberger bejaht, dass in diesem Geschäft die Kontakte entscheidend seien: „Auch wenn du ein sehr, sehr guter Trainer bist“, sagt er, „dann brauchst du trotzdem jemanden, der dich sympathisch findet und dich mitzieht.“ Der VfB jedenfalls gab dem 31-Jährigen die Verantwortung für die U12 für die laufende Saison. Dreimal die Woche leitet er das Training in Cannstatt, zweimal kümmert er sich um seine Fußballschule „Intersocca“ in Betzingen (siehe Kasten).

Eine reizvolle Aufgabe, sagt Weinberger, denn der VfB biete an Spielern „mit das Beste, was es in diesem Alter in Deutschland gibt“. Dabei gehe es bei der U12 nicht primär um den Erfolg, sondern um die individuelle Entwicklung der Spieler. Beim VfB kann sich Weinberger eine längere Zukunft vorstellen. Und wird sicherlich auch dem neuen Zweitliga-Cheftrainer Hannes Wolf über den Weg laufen. Beide kennen sich vom gemeinsamen Studium der Sportwissenschaft in Bochum. „Wobei er fast fertig war, als ich gekommen bin“, sagt Weinberger.

Doch Wolf sei ein Paradebeispiel wie schnell ein Trainer aufsteigen kann. Einen ähnlichen Weg erhofft sich Weinberger, der mit seiner A-Lizenz aktuell bis zur Regionalliga im Männerbereich trainieren darf, aber bald die Fußballlehrer-Lizenz anstreben möchte. Seine Vision von Fußball: „Ich bin jemand, der auf Ballbesitz steht“, sagt er. Das schnelle Umschalten nach einem Ballgewinn sei ihm dennoch wichtig. Weinberger bezeichnet Thomas Tuchel als den Trainer, der einen Stil pflege, den er mag. „Das Passspiel von Dortmund grenzt an die Perfektion“, sagt Weinberger.

Vor zehn Tagen habe ihm aber dann doch auch RB Leipzig imponiert, wie sie beim 1:1 gegen Gladbach „über das ganze Feld den Gegner Mann gegen Mann zugestellt“ hätten. „Da schaut man dann schon, was man sich abschauen kann“, sagt er. Und gestikuliert dazu wild mit den Händen. Dennoch gebe es Momente, in denen er vor dem Fernseher auch nicht so genau hinschaut. Denn: „Meine Frau guckt lieber Konferenz“, scherzt er. „Dann kann ich mich auch zurücklehnen und das mal genießen.“

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Erstellt:
08.10.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 38sec
zuletzt aktualisiert: 08.10.2016, 01:00 Uhr

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