Zeitlos schöner Schrecken

Meisterwerke aus der Stummfilm-Epoche restauriert auf BluRay

Ur-Opas Kino trifft aufs Computer-Zeitalter: Dank digitaler Technik sieht so mancher Stummfilmklassiker wieder richtig jung aus. DVD- und BluRay-Player werden zu Zeitmaschinen in die Filmgeschichte

03.09.2014

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Schauerlich reizvoll: Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ (1922) in seiner viragierten – also wie ursprünglich eingefärbten – Fassung.

Schauerlich reizvoll: Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“ (1922) in seiner viragierten – also wie ursprünglich eingefärbten – Fassung.

Graf Orlok ist am Ziel. Voller Begierde trinkt er Ellens Blut. Doch dann schreckt er hoch. Über der Lust hat er die Zeit vergessen. Der Morgen graut. Die ersten Strahlen der Sonne bringen das Bild zum Leuchten und besiegeln das Schicksal des Vampirs. . .

Ja, und wie es leuchtet! Filmfans sitzen heute zuhause vor riesigen Flatscreens, lassen sich von digitalen Heimkino-Anlagen rundherum beschallen und geben sich 3D-Spektakeln in HD-Qualität hin. Doch warum nicht auch mal einen Stummfilm wie „Nosferatu“ (1922) anschauen? Wenn da die Sonne aufgeht und der Blutsauger zum Aschewölkchen wird, dann sieht das auf der neuen BluRay von Universum Film überraschend gut aus.

Wer den Film in seiner restaurierten, viragierten – also wie ursprünglich eingefärbten – Fassung sieht, erkennt, dass es Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau eben weniger um eine, wie der Untertitel sagt, „Symphonie des Grauens“ ging, sondern darum, Naturstimmungsbilder auf die Leinwand zu malen und das Märchenhafte des Dämonischen zu betonen – eine ungewöhnliche Mischung aus Romantizismus und Expressionismus.

Seit den frühen 1980er Jahren wurde das Meisterwerk des Schauerfilms mehr als ein Dutzend Mal rekonstruiert und restauriert. Die neueste Edition auf BluRay bietet eine Überarbeitung von Luciano Berriatúa und der Murnau-Stiftung. Dabei wurde der Film komplett digitalisiert: Jedes Einzelbild wurde gesäubert und von Schäden befreit, der Bildlauf stabilisiert, Klebungen wurden retuschiert. Dazu wurden Kopien aus Frankreich und Deutschland verwendet, die wiederum auf diversen älteren Fassungen beruhen. Wo Zwischentitel fehlten, wurden sie in Original-Typographie nachgestaltet und eingefügt. Dazu erklingt die ursprüngliche Filmmusik, die Hans Erdmann 1922 für die Uraufführung komponiert hatte, in einer profunden Neueinspielung für großes Orchester – in diesem Sinn dann doch eine „Symphonie des Grauens“.

"Das Cabinet des Dr. Caligari"

"Das Cabinet des Dr. Caligari"

Auch das „Cabinet des Dr. Caligari“, zwei Jahre vor „Nosferatu“ entstanden, liegt in einer neuen Edition vor – und in was für einer! Die digitale Restaurierung von Robert Wienes Schlüsselwerk des deutschen Kino-Expressionismus begeistert wirklich, zum Beispiel durch die nahezu unsichtbare Entfernung von Bildsprüngen. 94 Jahre alt ist die schaurige Somnambulen-Mär, aber so glänzend war sie wohl noch nie anzusehen.

Auch wenn die neuesten Hollywood-Blockbuster die BluRay-Bildqualität ganz augenfällig nutzen, so lohnt doch eben auch immer mal wieder ein Blick zurück in die Filmgeschichte. Sogar ganz weit zurück: Georges Méliès' herrlich gewitzt getrickste fantastischen Kinomagien wie „Die Reise zum Mond“ (1902) machen enorm Spaß – und die elektronische Musik von Air, die auf der Arthouse-Edition enthalten ist, verbindet den Urahn des Science-Fiction-Films doch wieder mit unserer digitalen Zeit.

Arthouse hat weitere Stummfilm-Klassiker in sehenswerten Editionen im Portfolio. Ein einzigartiges Werk ist Abel Gances „Napoleon“ (1927) – die restaurierte Fassung dauert fast vier Stunden. Ein Wiedersehen wert ist natürlich auch immer wieder Fritz Langs „Metropolis“. Das Epos wurde zuletzt nach einem Filmmaterialfund in Buenos Aires nochmals erweitert und so gut wie noch nie rekonstruiert – zur Premierenfassung von 1927 fehlen jetzt lediglich acht Minuten Material. Ein besonderer Film ist Carl Theodor Dreyers „Die Passion der Jungfrau von Orleans“ (1928): Maria Faconetti ist in der Hauptrolle ist ein Ereignis.

Immer wieder schön ist Charlie Chaplins „Lichter der Großstadt“, ein später Stummfilm von 1931. Auch hier bietet die BluRay besonderen visuellen Glanz: das Leuchten in den Augen Chaplins.

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BluRays Die neuen Editionen von Universum Film bieten neben den geglückten digitalen Restaurationen nicht nur informative Booklets, sondern auch interessante Extras. „Nosferatu“enthält neben einer längeren Dokumentation über Friedrich Wilhelm Murnau auch eine seltene 8mm-Fassung des Films. Und auf der BluRay von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ gibt es unter anderem ein Making-of zur digitalen Restaurierung.