Politik

Michael Theurer: „Es lag nicht am guten Willen“

Nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition gibt es viele offene Fragen. Was sagen die hiesigen Abgeordneten dazu?

21.11.2017

Von Dagmar Stepper und Maik Wilke

Das Platzen der Sondierungsgespräche, das Aus der Jamaika-Koalition sorgte gestern bundesweit für Erstaunen, Unverständnis und vor allem für viel Schelte für die FDP. Was sagen unsere Politiker vor Ort dazu? Die SÜDWEST PRESSE hat die hiesigen Bundestagsabgeordneten gestern am Telefon befragt.

FDP als Buhmann? Dagegen wehrt sich Michael Theurer vehement. „Es lag nicht am guten Willen“, betont er, „nach vier Wochen intensiver Gespräche wurde immer noch um Halbsätze gestritten. Es waren noch über 100 Punkte offen.“ Der Vorwurf, die FDP habe die politische Verantwortung leichtfertig weggeworfen, weist er zurück: „Früher wurden wir dafür kritisiert, dass wir um jeden Preis regieren wollen, jetzt werden wir dafür kritisiert, dass wir uns nicht verbiegen wollen.“ Die Unterschiede zu den Grünen sei doch größer gewesen, als ursprünglich gedacht. „Es gab keine Bewegung bei den Grünen. Unerträglich war, dass sie bei jedem Einlenken sofort zwei oder drei Punkte nachgeschoben haben.“

Enttäuscht ist Theurer. Aber er ist sich mit Christian Lindner einig: „Lieber nicht regieren als falsch.“ Die FDP sei für eine Trendwende, einen Modernisierungsschub gewählt worden. Doch keine der zentralen Forderungen fanden sich in dem finalen Sondierungsgespräch wider. Wie geht es nun weiter Herr Theurer? „Wir streben keine Neuwahlen an. Alle müssen jetzt staatspolitische Verantwortung übernehmen“, antwortet er. Doch jetzt sei erst mal der Bundespräsident gefragt.

Dieser appellierte ausdrücklich an alle Parteien, ihrer Verantwortung dem Wählerwunsch gerecht zu werden, nachzukommen – und brachte so auch die neben Jamaika einzig weitere mögliche Mehrheitsregierung, die Große Koalition, ins Spiel. Für den CDU-Bundestagsabgeordneten und Parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel ist es jedoch zu früh, darüber zu spekulieren: „Wir müssen zunächst schauen, mit welchen Erkenntnissen die Parteien aus ihren internen Gesprächen kommen.“ Eine Minderheitsregierung sei ebenfalls erst einmal keine Alternative: „Die sehe ich noch lange nicht, ebenso wenig wie Neuwahlen.“ Der FDP die Schuld an den gescheiterten Verhandlungen zu geben, ist Fuchtel zu leicht. „Die Frage in dieser absolut ungeübten Situation für alle war, wie weit man Vertrauen zueinanderfindet und die Bewegungen zusammenbringt. Die FDP hat einfach erkannt, dass es für sie nicht möglich ist, in den anderen Parteien Partner zu finden.“ Der CDU-Politiker möchte daher niemandem den schwarzen Peter zu schieben – sagt dann aber doch: „Letztendlich kam die Einsicht, dass die Grünen sich im Streitpunkt Familiennachzug für Flüchtlinge nicht auf die Lösungen der zwei anderen Partner einlassen wird.“

Eine große Koalition ist für die SPD (Stand gestern) keine Option. „Es geht nicht, dass wir jetzt die Suppe auslöffeln. Die große Koalition wurde abgewählt“, sagt Saskia Esken. Sie erlebte den gestrigen Tag ganz klar, und ist auch froh über diese Entscheidung. Wie geht es jetzt weiter? „Der Ball liegt jetzt beim Bundespräsidenten“, sagt Esken. Frank-Walter Steinmeier hat die Parteien an ihre Verantwortung erinnert, die sie nicht einfach an den Wähler zurückgeben könnten. Esken baut auf die politische Erfahrung von Steinmeier und hofft, dass es zu einem guten Ergebnis kommt. Neuwahlen sind nicht gerade ihre erste Option. „Ich muss jetzt nicht unbedingt schon wieder einen Wahlkampf führen. Aber wenn es so wäre, ist mir auch nicht bange“, sagt sie. Esken bringt eine Minderheitsregierung ins Spiel. „Das halte ich gar nicht so abwegig. Eine Minderheitsregierung muss nicht instabil sein. Aber das will wohl Frau Merkel nicht.“

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Erstellt:
21.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 44sec
zuletzt aktualisiert: 21.11.2017, 01:00 Uhr

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