Ein Meer an Ideen: Tüftlergenie Jakob Lauhoff

Mit 24 Jahren hat Lauhoff schon 7 Patente

Jakob Lauhoff sitzt im Büro von BrakeForceOne (BFO) in der Tübinger Gartenstraße. Er kam mit dem Fahrrad. Hinter dem Fenster haben die Bäume schon die Blätter abgeworfen, aus dem Industriegebiet Unterer Wert steigt vereinzelt Rauch auf. In dieser Umgebung hat sich eine Firma entwickelt, die durch Lauhoffs Geschick die Aufmerksamkeit der Branche auf sich zieht.

22.10.2016

Von Moritz Hagemann

Hinter dem Prototypen mit ABS zeigt Erfinder Jakob Lauhoff das kleine Systemgehäuse. Noch nie hat er sich zuvor damit ablichten lassen. Bild: Metz

Hinter dem Prototypen mit ABS zeigt Erfinder Jakob Lauhoff das kleine Systemgehäuse. Noch nie hat er sich zuvor damit ablichten lassen. Bild: Metz

Dabei begann alles an einem einsamen Nachmittag am Strand der südfranzösischen Stadt Narbonne. Während die anderen Kinder des Ferienlagers spielten, „musste ich etwas gegen meine Langweile tun“, sagt Lauhoff. Er ging alleine an die Küste, lauschte dem Rauschen des Meeres und bekam die einleuchtende Idee: „In diesem Moment habe ich kapiert, wie das mit dem Bremskraftverstärker funktionieren kann.“

Da war Lauhoff gerade einmal 13 Jahre alt. Aber schon ein Tüftler, dessen Vater in Nehren ein Fahrradgeschäft betreibt. „Aus seiner Sicht ist es selbstverständlich, dass ein Haushalt Dreh- und Fräsmaschine hat“, sagt der Sohn. Der junge Lauhoff fing also mit dem rechnerunterstützten Konstruieren an, „das ist das Office-Paket für Konstrukteure“, sagt er. Mit 15 war der erste eigene Bremskraftverstärker fürs Fahrrad fertig. „Rückblickend ist es mir ein Rätsel, dass der ein Jahr gehalten hat“, scherzt er.

Natürlich blieb auch dem Vater das Talent nicht verborgen. Der nutzte die Chance, als der Unternehmer Frank Stollenmaier bei einer Radtour im Schönbuch 2009 stürzte und im Radladen vorstellig wurde. Stollenmaier, heute BFO-Geschäftsführer, erinnert sich: „Er sagte zu mir: ‚Die Reparatur ist umsonst, wenn du meinem Sohn eine Stunde zuhörst.‘“ Da sei der Schwabe in ihm durchgekommen, sagt Stollenmaier.

Er hörte zu. Und informierte sich im Internet über die Branche. „Mir wurde klar, dass da ein ungeschliffener Diamant sitzt“, sagt er. Das war die Geburtsstunde ihrer 2010 gegründeten Firma, an der Lauhoff beteiligt ist. Schon in diesem Jahr wird BFO einen mehrstelligen Millionen-Betrag umsetzen. Diese Summe, so Stollenmaier, soll sich Jahr für Jahr verdoppeln (siehe Kasten).

In Ebay mit Erfolg gestöbert

Wie aber kam die Idee für das E-Bike-ABS? Lauhoff sei klar geworden: E-Bikes werden schneller, die Fahrer älter. „Die Industrie versucht oft, dieses Problem mit mehr Bremsleistung zu lösen, aber das ist der falsche Ansatz.“ Denn als langjähriger Mountainbiker weiß der 24-Jährige selbst, dass starke Bremsungen vor allem unerfahrene Fahrer schnell über den Lenker abwerfen: „Und dann gibt’s den Klassiker: Schlüsselbeinbruch.“

Also bestellte er sich bei „Ebay“ ein Antiblockiersystem (ABS), das für ein motorisiertes Zweirad verwendet wurde. Und zersägte es. „Ich wollte einfach sehen, wie das aufgebaut ist“, sagt er. Schnell sei ihm aber klar geworden, dass ein ABS für das E-Bike ganz anders aussehen müsse. Denn: „Fahrräder haben eigentlich einen sauschlechten Schwerpunkt.“ Und das Gewicht sei natürlich auch wichtig. Folglich musste das System „viel präziser, kleiner und feinfühliger“ sein. Schritt für Schritt fing Lauhoff an, dieses zu entwickeln. Heraus kam eine Weltneuheit, die BFO auf der Eurobike-Messe vor einigen Wochen präsentierte (wir berichteten).

Der 24-Jährige betont, dass der Erfolg auf guter Zusammenarbeit basiere. Stollenmaier, der das notwendige Startkapital aufgetrieben hatte, halte ihm den Rücken frei und lasse ihm seine Freiheiten. „Ich hab‘ ne Idee und baue einfach Prototypen, ohne mich für jede 100-Euro-Rechnung rechtfertigen zu müssen“, sagt Lauhoff. So gehe die Firma in der Entwicklung zwar Risiken ein. Aber: „Die Firmen, die die Region groß gemacht haben, waren ja auch begeisterte Entwickler“, sagt Lauhoff. Und nennt Namen wie Mercedes-Benz oder Porsche. Das zeigt auch, in welcher Größenordnung er denkt.

Nach seinem Abitur am Firstwald-Gymnasium hat Lauhoff an der DHBW Horb ein duales Studium begonnen und gleichzeitig bei BrakeForceOne gearbeitet. Seit einem Jahr ist er fertig, wohnt nun auch in Tübingen. Und ist mittlerweile schon im Besitz von sieben Patenten, die mit der Konstruktion von Fahrrad-Teilen zu tun haben. Gut möglich sogar, dass noch weitere dazu kommen. Denn: „Die Ideen gehen mir nie aus“, sagt der 24-Jährige. In seiner Wohnung steht auch schon eine selbstgebaute Espresso-Mühle.

Erst im vergangenen Sommer, sagt Lauhoff, habe er dann ein Déjà-vu gehabt. Weil er auf dem Weg in den Urlaub wieder an jenem Strand in Narbonne vorbeigekommen ist, an dem alles begann. „Da geht einem schon durch den Kopf“, sagt Lauhoff, „was damals eigentlich hier ausgelöst wurde.“

600 000 ABS in den kommenden fünf Jahren

Die Entwicklung der Firma BrakeForceOne (BFO) in der Tübinger Gartenstraße geht rasant voran. Er müsse noch in diesem Jahr sechs, sieben neue Mitarbeiter einstellen, sagt Geschäftsführer Frank Stollenmaier. Und im kommenden dann nochmal die selbe Anzahl. „Alle großen Hersteller weltweit rennen uns das Haus ein“, behauptet Stollenmaier. Außerdem will BFO seine CNC-Fertigung von Mühlacker nach Tübingen umsiedeln. Dazu sucht das Unternehmen derzeit eine Halle von 1200 bis 1500 Quadratmetern. Stollenmaier untermauert auch nochmals die enge Kooperation mit dem Bremsenhersteller Magura, denn alleine könnte BFO die extreme Nachfrage nach dem ABS für E-Bikes nicht stemmen. Im Frühjahr 2018 soll das in Großserie gehen, rund 600 000 Mal soll sich das Anti-Blockier-System in den kommenden fünf Jahren verkaufen. Außerdem suche BFO einen weiteren Partner, auch um die Position am Markt zu stärken. Das, so Stollenmaier, darf gerne ein „Global Player“ sein: „Damit man uns nicht schlucken kann.“

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Erstellt:
22.10.2016, 02:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 31sec
zuletzt aktualisiert: 22.10.2016, 02:00 Uhr

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