Karriere

Mit Motivation und Meterstab

Die 19-jährige Katharina Fischer aus Bittelbronn stellt sich als Auszubildende dem Maurer-Handwerk und strebt einen Abschluss als Bauingenieurin an.

22.10.2016

Von Gerd Braun

Wasserwaage und Kelle, das sind typische Werkzeuge für die angehende Maurerin Katharina Fischer – die ihre Bauingenieur-Plus-Ausbildung jedoch mit einem Bachelor-Titel vollenden will. Bild: Braun

Wasserwaage und Kelle, das sind typische Werkzeuge für die angehende Maurerin Katharina Fischer – die ihre Bauingenieur-Plus-Ausbildung jedoch mit einem Bachelor-Titel vollenden will. Bild: Braun

Dieser Herbst-Mittwoch hat es gut gemeint. Gewiss, es war etwas kühl. Aber im Gegensatz zum Tag davor kehrte Katharina Fischer an diesem Abend von ihrer Baustelle im Gäu zum Feierabend trocken in die Firma nach Dettingen zurück. Tags davor musste die hübsche Brünette zusammen mit ihren Maurer-Kollegen Unmengen von Wasser aus dem Rohbau schöpfen, damit es mit dem Hausbau weitergehen konnte. Immerhin: „Da standen alle Wände im Wasser“, wiederholt sie einen Scherz des Tages. Doppeldeutiger Maurer-Humor.

Handfester Humor am Bau

Katharina Fischer mag ihn, diesen besonderen Humor am Bau, die handfesten Sprüche, aber auch die handfeste Arbeit. Und während gewiss noch etliche Abiturientinnen des Abschlussjahrgangs 2016 mit Rucksack um die Welt touren, steht die 19-Jährige schon mitten im Berufsleben. Dieses hat am 1. September mit einer Maurer-Lehre begonnen. Aber nicht nur: Katharina Fischer absolviert die duale Ausbildung zum Bauingenieur Plus.

Das „Plus“, erklärt die junge Bittelbronnerin, beziehe sich auf eine integrierte Ausbildung im Bauhandwerk. So hat Katharina Fischer dann ebenso wie die derzeit zehn weiteren angehenden Bauingenieure Plus im Gebiet der Handwerkskammer Reutlingen mit einem erfolgreichen Abschluss nach fünf Jahren gleich zwei „Scheine“ in der Tasche: Eine klassische, praktische Handwerksausbildung im Baugewerbe und einen „Bachelor of Engineering“, Fachrichtung Bauingenieurwesen.

Zusammen mit ihrem Kollegen Fabian Schnell aus Altheim – auch er absolviert die duale Ausbildung in Dettingen – ist Katharina Fischer seit geraumer Zeit im Internet in einem von der Handwerkskammer produzierten Imagefilm zu sehen, in dem die handfeste junge Frau auch scheinbar mühelos 25-Kilo-Zementsäcke auf die Ladefläche eines Lastwagen lädt. Ihr Bekenntnis zur Berufswahl formuliert die 19-Jährige so: „Abwechslung und handwerkliches Geschick machen den Beruf spannend und für mich perfekt.“

Den Einstieg in diesen Berufsweg fand die Bittelbronnerin vergangenes Jahr, und ein bisschen hat der Zufall seinen Teil dazu getan. Denn eigentlich wollte die begeisterte Hobby-Reiterin einen Sommerferien-Job bei Olympiasieger Michael Jung in Altheim machen. Das klappte dann aber nicht, und so heuerte sie für einige Wochen kurzerhand bei der Firma ihres Vaters Ralf, dem Dettinger Bauunternehmen Eugen Sieber, an. „Ich hatte einen super Chef“, blickt sie zurück, „der hat mir alles gezeigt, obwohl gar nicht klar war, ob ich das weiter mache.“ Doch sie hat weitergemacht. Und zwar konsequent und hochmotiviert.

Zum Beispiel ärgert es sie, dass es ihr noch nicht so gut gelingt, den Speis – also den Baumörtel – mit jenem locker-leichten Dreh aus dem Handgelenk von der Kelle an die Wand zu befördern wie dies ihre durchweg männlichen, aber geübten Kollegen können. Sie werde es, sind die Kollegen überzeugt, schon noch lernen. Aber am liebsten möchte Katharina Fischer es eben sofort können.

Sowieso: Auf ihren für große Mädchen außergewöhnlichen Beruf hat sie sich nach dem Abitur in Dornstetten gezielt körperlich vorbereitet. Im Fitnessstudio habe sie trainiert, um entsprechend Kraft zu haben. „Wenn ich mauern will, muss ich meine Steine schon selber tragen können“, sagt die Bittelbronnerin wie selbstverständlich.

Erste Frau als Maurer-Azubi

Diese Einstellung dürfte hilfreich sein, denn: „Sie wird deutlich mehr geprüft als andere“, ist Andrea Haigis, Prokuristin bei Sieber Bau, überzeugt. Außergewöhnlich findet sie eine Frau im Maurer-Beruf an sich aber nur deshalb, weil sich „in den Jahren, in denen ich hier bin, noch nie eine Frau um einen solchen Ausbildungsplatz bei uns beworben hat“.

Katharina Fischer ist hier also die Erste, und unter den 100 Gesellen, die blockweise überbetrieblich am Bau-Ausbildungszentrum in Sigmaringen korrektes Mauern setzen lernen, ist sie eine von nur vier weiblichen Berufsstartern. Nach dem ersten Abschnitt dort ab Mitte September heißt es seit ein paar Wochen: schuften auf der Baustelle. Das ist gerade in der wärmeren Jahreshälfte verbunden mit harter Arbeit und mitunter langen Arbeitstagen.

Manchmal ist Kampfgeist gefragt

Das aber schreckt die Klarinettistin im Musikverein Bittelbronn nicht. „Auf der Baustelle, das ist hart. Das weiß ich“, sagt Katharina Fischer, und manchmal müsse man da schon ein bisschen die Zähne zusammenbeißen. Dennoch sieht sie in der Doppel-Ausbildung zum Bauingenieur Plus genau die richtige Wahl für sich. Der erste Hochschul-Block steht ihr indes noch bevor. Ab März geht es erstmals nach Biberach, wo ihr und den anderen in diesem Ausbildungsprogramm gezielt Bauingenieurs-Fachwissen vermittelt wird.

Und was haben Familie, Freunde und Bekannte zu ihrer Berufswahl gesagt? „Das ist schon was Starkes – außergewöhnlich, aber cool“, zitiert die 19-Jährige sinngemäß die Reaktionen aus dem Freundeskreis. Die beiden jüngeren Schwestern, der Papa und die Mama tragen die Berufswahl ohnehin mit. Und auch der Opa, Herbert Fischer, der in ihr eher eine angehende Rechtsanwältin gesehen hatte, sei inzwischen einverstanden mit dem Berufsweg, den die Enkelin da eingeschlagen hat.

Mit einem Problem muss sich Katharina Fischer aber noch auseinandersetzen: Welche ihrer diversen leidenschaftlichen Freizeitaktivitäten sie zumindest für die Zeit ihrer intensiven Ausbildung herunterfahren soll. Denn neben der Reiterei und dem Musikverein füllt auch ihr Engagement beim DRK ihre Freizeit. „Ich konnte mich noch nicht entscheiden, was ich zurückstellen soll“, gesteht die Bittelbronnerin.

Ausbildung Bauingenieur Plus

Die Duale Ausbildung Bauingenieur Plus bietet zwei Ausbildungen in einer: Zum einen haben die Absolventen einen Abschluss in einem der vier Bau-Ausbildungsberufe Maurer/in, Beton-/Stahlbauer/in, Straßenbauer/in oder Kanalbauer/in sowie den Abschluss „Bachelor of Engineering“, Fachrichtung Bauingenieurwesen. Die Ausbildung dauert fünf Jahre und findet statt im ausbildenden Unternehmen, an der Hochschule Biberach und der entsprechenden überbetrieblichen Einrichtung. Die Ausbildungsform gibt es seit 2012 und wurde damals bundesweit einmalig über den Verband „Bauwirtschaft Baden-Württemberg“ initiiert. Angeboten werden auch die Ausbildungsformen Bautechniker Plus und Baubetriebswirt Plus.

Wie Udo Steinort, Sprecher der Handwerkskammer Reutlingen mitteilt, absolvieren im Zuständigkeitsbereich der Kammer derzeit elf junge Leute diese Ausbildung – drei Maurer und acht Stahlbetonbauer. Steinort erklärt, dass solche duale Ausbildungsformen seitens des Handwerks eine Reaktion darauf sind, dass inzwischen deutlich mehr junge Menschen das Abitur machen. Dies schlage sich auch auf das Handwerk nieder: Inzwischen, so Steinort, würden rund zwölf Prozent der Berufsanfänger mit abgeschlossenem Abitur in einen Handwerksberuf einsteigen.