Horb · Medizin

Mit Vorsicht zu genießen

Vitamine gegen Krebs, „Schwingungs“-Analysen und „Heilreisen“ zu angeblichen Pyramiden in Bosnien: Ein neues Ärztepaar in Horb wendet Methoden an, die wissenschaftlich nicht haltbar sind – dafür aber kostspielig.

28.08.2019

Von Philipp Koebnik

Der Briefkasten in der Schillerstraße 23 in Horb weist bereits darauf hin: Hier eröffnet demnächst die Emil-Schlegel-Klinik. Bild: Karl-Heinz Kuball

Der Briefkasten in der Schillerstraße 23 in Horb weist bereits darauf hin: Hier eröffnet demnächst die Emil-Schlegel-Klinik. Bild: Karl-Heinz Kuball

Dr. Heinz Huber und Andrea Klein-Huber werden in der Schillerstraße 23 in Horb zum 2. September ihre Klinik eröffnen. Bislang hatte die „Emil-Schlegel-Klinik“ – benannt nach einem Tübinger Homöopathen – ihren Sitz in Bad Niedernau bei Rottenburg. Dort betrieben die Hubers, die in Sulzau wohnen, zehn Jahre lang eine Allgemeinpraxis in Verbindung mit ihrem klinischen Konzept. Aus den Räumen in Bad Niedernau mussten sie ausziehen, weil der Besitzer das Gebäude verkaufen will.

Bis zu 16 Wohnungen für Patienten hatten die Hubers in Bad Niedernau. „Das wollen wir bewusst nicht mehr“, sagt Heinz Huber. Ein bisschen fehlen werden ihnen die großzügigen Einrichtungen der auf einen Badebetrieb ausgelegten Kurklinik aber schon.

Für den neuen Standort Horb sprach vor allem die Verfügbarkeit einer geeigneten Immobilie, ließ Heinz Huber wissen. Hier eröffnen die beiden nun eine Tagesklinik. Die Patienten sollen in der näheren Umgebung wohnen. Auf ihrer Website schreiben die Hubers: „Sie werden sehr gut in schönen Pensionen, Hotels oder sogar in einem wunderbaren Wellnesshotel untergebracht sein.“ Über die Kosten schweigt man diskret.

Inwieweit Horber Patienten die Dienste der Hubers in Anspruch nehmen können, ist fraglich. Das Paar weist darauf hin, bereits einen großen Stamm an Patienten aus ganz Deutschland zu haben, manche reisten sogar aus fernen Ländern an.

Das Konzept ihrer Klinik fassen die Hubers so zusammen: „Die Dinge verbinden und nicht gegeneinander kämpfen.“ Medizinische Methoden und alternative Behandlungsansätze wollen sie miteinander in Einklang bringen.

Methoden eines Scientologen

Heilpraktikerin Andrea Klein-Huber betont vor allem die Bedeutung einer gesunden, „vollwertigen“ Ernährung für Heilungsprozesse. Eine kohlenhydratarme Ernährung und eine Öl-Eiweiß-Kost seien wirksame Therapien gegen Krebs. „Der Kern der Krebsbehandlung liegt in der Ernährung“, glaubt auch Heinz Huber. Schließlich könnten Tumore durch falsche Ernährung entstehen – oder durch ein „seelisches Trauma“.

Klein-Huber schwört zudem auf die sogenannte Bioresonanz-Diagnose. Dabei gehe es um eine Analyse der „Schwingungen“ der Organe, sagt die 60-Jährige. Auf der Website der Hubers heißt es, diese Form der Diagnose werde „durch neueste Erkenntnisse in Bio- und Quantenphysik bestätigt“. Der Patient bekommt dabei einen „speziellen Kopfhörer mit sogenannten Biophotonen-Trigger-Sensoren“ aufgesetzt. Über diese Sensoren würden „nicht hörbare Signale an den Körper gesendet, der darauf mit einer Art ‚Echo‘ antwortet“. Es würden dann „virtuelle Organbilder aufgezeigt, anhand derer die Ergebnisse analysiert werden können“, heißt es weiter.

Die in der Literatur als Pseudowissenschaft bezeichnete „Bioresonanztherapie“ geht auf den deutschen Arzt und Scientologen Franz Morell zurück. Morell wirkte 1975 an der Gründung der Scientology-Tarnorganisation „Narconon“ in Frankfurt mit. Auch Hans Brügemann, Geschäftsführer der Regumed GmbH, eines Herstellers von Bioresonanzgeräten, ist oder war Scientologe und Mitglied des World Institute of Scientology Enterprises (WISE). Das WISE ist ein weltweiter Verband von Scientology-Unternehmen, die die Managementtechniken von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard anwenden. Ein 90-minütiger Ganzkörperscan kostet bei Klein-Huber 180 Euro.

Auch andere vermeintliche Heilmethoden, die die Hubers anwenden, sind mit Vorsicht zu genießen. So bietet das Ärztepaar Krebspatienten Mineralstoff- und Vitamin-Infusionen an. Auch sind die beiden davon überzeugt, Krebs durch homöopathische Mittel bekämpfen zu können.

Homöopathie beruht unter anderem auf der wissenschaftlich unbelegten Annahme, Wasser habe ein Gedächtnis und könne Informationen speichern. Dass eine „Informationsübertragung“ auf den Patienten funktioniere, halte er für „denkbar“, sagt Huber – und verweist nebulös auf die Quantenmechanik, als gäbe es einen Zusammenhang. Dass homöopathische Mittel umso stärker wirken sollen, je mehr sie verdünnt wurden? „Ja, es ist widersinnig“, sagt Huber lapidar. Und: „Es ist jeden Tag ein Rätsel und ein Wunder.“

Heinz Huber selbst verfasste vor über 20 Jahren ein Dokument mit dem Titel „Die Effektivität der homöopathischen Behandlung“. Um seine Methoden beurteilen zu können, so schreibt er darin selbst, „mußte ein Weg gefunden werden zwischen Optimierung der Aussagekraft und Machbarkeit und Finanzierbarkeit in der Praxis“. Es durfte also weder zu aufwendig noch zu teuer sein. „Kontrollierte, randomisierte Studien sind zwar sonst Standard für die Anerkennung einer Behandlungsmethode“, gesteht er im selben Absatz ein. Sie seien jedoch für eine solche Betrachtungsweise aus methodischen und organisatorischen Gründen der Fragestellung nicht einsetzbar. Sprich: Weil etablierte Methoden nicht die erforderlichen Ergebnisse lieferten, erfand man neue Methoden.

Eintritt in „Kraftort“ für 580 Euro

Für sämtliche genannten Ansätze gibt es „keine Hinweise aus qualitativ ausreichenden Studien, dass diese dem Patienten nützen“, warnt Prof. Stefanie Joos, Ärztliche Direktorin am Uniklinikum Tübingen, auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE. Es handle sich dabei um sogenannte nicht-evidenzbasierte Ansätze. „Aus meiner Sicht sollten, wenn überhaupt, diese Ansätze nur im Rahmen von Studien durchgeführt werden, damit daraus Erkenntnisse gewonnen werden können, die dann wieder weiteren Patienten zur Verfügung gestellt werden können (und dann bei wirklich nachgewiesener Wirksamkeit im besten Falle auch allen Patienten und nicht nur denen, die es sich leisten können)“, so Joos weiter.

Wenig überraschend, dass man sich in der Huberschen Klinik auch mit Qigong, Meditation, Yoga, Reiki, Tanztherapie und künstlich erzeugtem Fieber von mehr als 39 Grad Celsius behandeln lassen kann. Mehr noch: Auch angebliche „Heilreisen“ gehören zum Angebot der Hubers. Im Februar 2020 soll es zum Beispiel eine dreiwöchige „Gesundheitsreise“ nach Malaysia geben. Für schlappe 4980 Euro heißt es dann: „Raus aus den alten Gewohnheiten, Neues entdecken und dabei aktiv etwas für die körperliche und seelische Gesundheit tun.“

32 Euro für einen Vortrag auf CD

Besonders skurril mutet die „Heilreise“ an, die im Mai nächsten Jahres nach Bosnien führen soll – zu den sogenannten Bosnischen Pyramiden. Dabei handelt es sich um eine pseudowissenschaftliche Hypothese des amerikanisch-bosnischen Bauunternehmers und Esoterikers Semir Osmanagic. Demnach befänden sich unweit der Stadt Visoko mehrere Pyramiden, die bis zu 30000 Jahre alt sein sollen. Diese Behauptung lehnen Geologen, Historiker und Archäologen einhellig ab.

Nach Auffassung der Hubers gibt es dort „Kraftorte“. Die „Schwingungen“ habe sie selbst gespürt, sagt Klein-Huber, denn: „Ich bin sehr feinspürig.“ Um die Wirksamkeit zu unterstreichen, verweist das Ärztepaar indes nicht nur auf ominöse „Schwingungen“, sondern außerdem – mit scheinbar wissenschaftlichen Begriffen – auf negativ geladene Ionen in der Luft nahe der Pyramiden samt hoher Sauerstoffkonzentration. Der Reisepreis von 580 Euro enthält „Kurs, Führungen und Eintritte im Bereich der Pyramiden“ – Anreise, Abreise, Unterkunft und Verpflegung müssen die Teilnehmer zusätzlich bezahlen.

Geld verdienen die Hubers darüber hinaus mit dem Verkauf von Tonträgern: Hubers Vortrag „Homöopathische Behandlung von Krebs und anderen schweren Pathologien“ kostet 27 Euro als MP3-Datei und 32 Euro als CD.

„Wir passen einfach nicht so richtig zusammen“

Nach etwa 45 Minuten brechen Heinz Huber und Andrea Klein-Huber das Interview im Konferenzraum der SÜDWEST PRESSE ab. Heinz Huber zeigt sich enttäuscht, gar persönlich verletzt: Bislang sei man in Horb so herzlich empfangen worden – und jetzt dieses Interview, mit kritischen Fragen aus einer wissenschaftlichen Perspektive? Das haben die beiden nicht erwartet, sagen sie. Den Artikel wolle er vor der Veröffentlichung gegenlesen, fordert Heinz Huber und widerspricht der Verwendung der Fotos, die während des Interviews entstanden.
Als Vorschlag zur Güte wird ein weiteres Gespräch vereinbart, diesmal mit dem Redaktionsleiter. Doch Heinz Huber sagt den Termin überraschend ab. Man passe einfach nicht so richtig zusammen, begründet er seinen Schritt. Dennoch haben Sie als Leser der SÜDWEST PRESSE natürlich einen Anspruch darauf, über Entwicklungen und Geschäftsansiedlungen in Horb und Umgebung informiert zu werden.