Protest

Mit Worten gegen Waffen

Mit „Heckler & Koch“ tagte am gestrigen Dienstag der größte deutsche Kleinwaffenexporteur in Glatt. Friedensaktivist und Waffengegner Jürgen Grässlin war dabei und konfrontierte den Vorstand des Oberndorfer Unternehmens mit 100 Fragen.

16.08.2017

Von Fabian Schäfer

Jürgen Grässlin ist seit 30 Jahren Friedensaktivist. Privatbild

Jürgen Grässlin ist seit 30 Jahren Friedensaktivist. Privatbild

Ein einsamer Sicherheitsmann in Anzug und Krawatte steht am Dienstagmorgen vor dem Glatter Restaurant „Züfle“. Auffällig sind zudem die Mengen an Autos, die um das Wellness-Hotel herum stehen – deutlich mehr, als an einem normalen Werktag üblich, zumal morgens um kurz nach 11 Uhr. Eine einsame Polizeistreife fährt die Oberamtstraße entlang, die 200 Meter vor dem Hotel aufgrund der Glatttalstraßen-Sanierung gesperrt ist. Ansonsten deutet nichts im Sulzer Teilort darauf hin, dass im „Züfle“ am Dienstag das „tödlichste Unternehmen Deutschlands“ seine Hauptversammlung abhält.

So zumindest nennt Jürgen Grässlin, ehemaliger Lehrer in Sulz und seit über 30 Jahren Friedensaktivist, den Oberndorfer Waffenhersteller „Heckler & Koch“. Dieser hatte – unter Ausschluss der Presse – ab 10 Uhr zu seiner Aktionärsversammlung geladen. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung war die vorgeschlagene Ausgabe von 13,5 Millionen neuen „Heckler & Koch“-Aktien zu je 7,53 Euro.

Grässlin, der selbst Besitzer zweier Aktien des Unternehmens ist, war zusammen mit sechs weiteren Friedensaktivisten im „Züfle“, um zu sehen, ob die im Vorfeld prognostizierte „mögliche positive Entwicklung“ des Unternehmens eintritt. „Ich bin seit 30 Jahren auf Versammlungen dieser Art, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Es war sensationell“, berichtet ein euphorischer Grässlin am Dienstagabend der SÜDWEST PRESSE. Dass gleich sieben äußerst kritisch eingestellte Aktionäre bei der Versammlung vorsprachen, hätte die Vorstände von „Heckler & Koch“ überrascht.

Nach den „standartmäßigen Berichten“ über die Zahlen und den aktuellen – guten – Kurs des Unternehmens, schlug die Stunde von Grässlin und seinen Mitstreitern. „Wir haben uns vorher abgestimmt und um die 100 Fragen an den Vorstand gestellt. Keine hat sich gedoppelt“, berichtet der Bundessprecher der „Deutschen Friedensgesellschaft“ Grässlin. Das sei für die Vertreter von „Heckler & Koch“ sichtbar „harter Tobak“ gewesen. Dennoch habe man sich sämtliche Fragen geduldig angehört und dann um eine Auszeit gebeten, um detaillierte Antworten geben zu können. „Es war sehr spannend, dass sie uns sogar gefragt haben, ob die Pause für uns okay ist“, sagt Grässlin, dessen Fragen im Anschluss großteils präzise beantwortet wurden.

Hauptaktionär nicht anwesend

Der große Skandal der Hauptversammlung sei jedoch gewesen, dass der Hauptaktionär von „Heckler & Koch“, Andreas Heeschen, nicht persönlich erschienen sei, sondern sich vertreten ließ. Heeschen besitzt seit dem gestrigen Dienstag 62 Prozent der Aktien des Waffenherstellers. „Deshalb wurden unsere Fragen an Herrn Heeschen nicht beantwortet“, sagt Grässlin, der trotzdem hochzufrieden mit dem Ablauf der Versammlung war. „Nach 30 Jahren Druck durch Friedensbewegungen gab es nun erstmals eine Regung“, berichtet der Bundessprecher. So habe „Heckler & Koch“ angekündigt, zukünftig keine Lieferungen mehr an Saudi-Arabien oder sämtliche afrikanische Länder zu tätigen. „Das hat für das Unternehmen selbst dramatische Folgen. Saudi-Arabien ist eines der Hauptbezugsländer, durch das ‚Heckler & Koch‘ im vergangenen Jahr über 250 Millionen Euro eingenommen hat“, erklärt Jürgen Grässlin, der diesen Schritt als „absolut positive Entwicklung“ bewertet.

Dennoch habe es auch Grund zur Kritik gegeben: „Heckler & Koch“ haben jüngst noch Neuaufträge aus Südkorea, Malaysia und Indonesien angenommen – Staaten, die durch ihre Menschenrechtssituation in der Kritik stehen. „Das Unternehmen will seine Verträge erfüllen und dann nur noch in EU- oder Nato-Staaten exportieren“, berichtet Grässlin, der im Großen und Ganzen eine „Wende zum Positiven“ sieht. „Es war zum ersten Mal ein offener Dialog. Außerdem wurde uns zugesichert, die Möglichkeit eines Opferfonds ernsthaft zu überprüfen. Besser geht’s nicht“, freut sich Jürgen Grässlin. Ein Umbruch sei eingeleitet, wenn auch noch lange nicht vollzogen.