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Schweizer Uhrenbranche:

Mit alten Stärken aus der Krise?

Was sich zur diesjährigen Baselworld Anfang des Jahres bereits abzeichnete, wird jetzt immer deutlicher: Die Uhrenbranche steckt in einer tiefen Krise. Die Umsätze brechen ein, Marktanalysten suchen nach Gründen, die Konzerne nach Auswegen. Hoffnungslos muss die Lage dennoch nicht sein, denn die Branche hat schon so manche Krise gemeistert. Doch kann sich die Geschichte wiederholen?

29.11.2016

Von Jan Danneberg

Schweizer Exporte seit Jahresbeginn deutlich eingebrochen

Wie schnell die Branche in die Krise geschlittert ist, verrät ein Blick auf die nackten Zahlen: Seit Jahresbeginn sind die Exporte der Schweizer Uhrenkonzerne um 9,5 Prozent eingebrochen. Für das lange Zeit als wichtigster Absatzmarkt geltende China wurde gar ein Minus von 36 Prozent verzeichnet. In Deutschland ist der Rückgang auch überdurchschnittlich: Hierher sackten die Exporte zuletzt um 11,1 Prozent ab. Vor allem Modelle der Oberklasse mit Preisen jenseits der 3.000 Franken-Marke (rund 2.700 Euro) sind deutlich weniger gefragt. Gründe für diese Krise mögen das Aufkommen von Smartwatches sein, vielmehr aber noch die Angst vor Terrorismus, der dadurch einbrechende Tourismus in die Schweiz und eine allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit.

 

Alte Stärken neu entdecken

Entlassungen soll es zumindest bei Swatch (u. a. Omega, Longines, Glashütte Original) vorerst nicht geben. Der Richemont-Konzern hingegen hat schon im Vorjahr Stellen abgebaut. Deutsche Marken wie die zu Richemont gehörende Traditionsmanufaktur A. Lange & Söhne aus Glashütte sollen jedoch nicht betroffen sein. Unternehmenssprecher Arnd Einhorn betont: „Einen Einstellungsstopp gibt es nicht, und wir rechnen auch nicht mit Entlassungen“. Als Konsequenz besinnt man sich zunehmend auf alte Stärken. Dazu zählen vor allem eine makellose Präzisionsarbeit, Innovationen und Neuauflagen großer Klassiker. Einst sorgte beispielsweise das Aufkommen von Neuerungen wie Wasser- und Staubdichte für eine große Uhrenbegeisterung. So gab es diesem Artikel zufolge in den 1950er und 1960er Jahren einen sehr großen Markt für wasserdichte Uhren – die Geburtsstunde von Klassikern wie der Rolex Submariner oder die Breitling Superocean. Jetzt kommen diese Designs wieder: Tudor, eine Rolex-Tochter, stellte beispielsweise seine legendäre Taucheruhr Black Bay in Retro-Bronze auf der diesjährigen Baselworld vor.

 

Seit die EZB eisern ihre Niedrigzins-Politik verfolgt, werden teure Uhrenmodelle auch immer häufiger als Wertanlage gesehen – und die fortschreitende Digitalisierung macht es möglich, jederzeit auch an begehrte Stücke zu kommen. Dank Online-Marktplätzen wie beispielsweise Chrono24.de lassen sich auch Taschenuhren mit fünfstelligen Preisen mit wenigen Mausklicks ergattern.

 

In Hinsicht auf präzise Zeitmesser setzt zwischen den Schweizer Marken Rolex und Omega ein regelrechter Wettlauf ein: Beide versuchen sich mit noch strengeren Qualitätstests zu übertrumpfen. Ein Cosc-Test (Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres) für das Chronometer-Zertifikat reicht da schon längst nicht mehr: Omega führte beispielsweise das Zertifikat „Master Chronometer“ ein. Damit eine Uhr unter diesem Label verkauft werden darf, ist eine Gangabweichung von plus 5 Sekunden pro Tag das Maximum. Zudem werden die Zeitmesser auf einen Wasserdruck von 1.500 Metern geprüft – womit die legendären Taucheruhren der 1950er und 1960er Jahre bei weitem überboten werden. Rolex zieht mit: Nach dem bestandenen Cosc-Test werden die Uhrwerke noch einmal im eigenen Haus getestet. Als maximale Toleranz gilt jetzt eine Gangabweichung von +/- 2 Sekunden pro Tag.

 

Smartwatches: Bringen sie eine zweite „Quarzkrise“?

Mit diesen Maßnahmen spielen die Hersteller alte Stärken aus, die ihre luxuriösen Zeitmesser von der batteriebetriebenen Billigkonkurrenz der Quarzuhren und Smartwatches abheben soll. Sie sollen sich durch maximale Präzision bei gleichzeitiger Handfertigung auszeichnen, für zeitloses Stilbewusstsein stehen und ihre Besitzer den Geist vergangener Zeiten atmen lassen. Dass diese alten Werte die Branche schon einmal eine große Krise überstehen ließen, beweist die sogenannte Quarzkrise in den 1980er Jahren: Schon während Quarzuhren ihren Einstand auf Kosten ihrer mechanischen Ahnen feierten, herrschte Endzeitstimmung in der Schweizer Uhrenbranche. Doch es gibt sie noch immer, und vermutlich werden die Klassiker auch die Smartwatches überleben – deren Verkäufe innerhalb eines Jahres sogar um 51,6 Prozent eingebrochen sind.

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Erstellt:
29.11.2016, 12:45 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 29.11.2016, 12:45 Uhr

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