Fingierter Banküberfall

Mit fast einer Viertelmillion für kurz in Saus und Braus gelebt

Die Urteile des Schöffengerichts Rottweil: Haftstrafen für den 23-jährigen „Anstifter“ und die 20-jährige Jung-Bankerin.

13.12.2016

Von Cornelia Addicks

Für den fingierten Überfall auf die Bankfiliale in Alpirsbach-Peterzell im Mai wurde der Haupttäter mit drei Jahren und fünf Monaten Gefängnis bestraft, seine Helfershelferin im Geldinstut bekam wegen Untreue in besonders schwerem Fall 18 Monate Jugendstrafe aufgebrummt. Von den 231 165 Euro Beute konnten nur 58 300 Euro sichergestellt werden.

In Fußfesseln wurden die beiden Angeklagten vorgeführt: Die junge Frau war seit ihrer Verhaftung am 10. August in Untersuchungshaft, ihr Freund verbüßt den Rest einer früheren Haftstrafe, deren Aussetzung zur Bewährung gestrichen wurde.

Dem berufslosen 23-Jährigen warf die Staatsanwaltschaft außer dem „Leerräumen der Filiale“ auch noch vor, er sei in den 90 Tagen zwischen der Tat und der Verhaftung 14 Mal ohne Führerschein Auto oder Motorrad gefahren. Dazu kommen noch acht Delikte gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Bei der jungen Frau, in Friedrichshafen gebürtig, lautet die Anklage außerdem auf „Missbrauch des Notrufs“ und „Vortäuschen einer Straftat“. Denn zunächst wurde sie als Opfer eines Banküberfalls angesehen.

Von einem maskierten Täter sei sie an jenem Freitag, 13. Mai, dazu gezwungen worden, die Tür der Filiale zu verriegeln, sich auf den Boden zu legen und ihm auch noch die PIN zum Öffnen des Geldautomaten zu geben. Angeblich mit vorgehaltener Pistole.

Als „geschocktes Opfer“ wurde die als „Springerin“ in mehreren Filialen eingesetzte Mitarbeiterin von der Arbeit freigestellt.

„Was wollten Sie denn mit dem Geld?“ fragte die Jugendrichterin gestern die Angeklagte. „Wir wollten wegziehen, uns gemeinsam etwas Neues aufbauen“, lautete die Antwort.

Doch daraus wurde nichts. Dafür lebten die beiden „in Saus und Braus“, unternahmen Reisen. Ein Lamborghini wurde gemietet, eine Limousine und ein Motorrad gekauft. Und „Party gemacht“. Wenn die junge Frau etwas für sich wollte – wie zum Beispiel die Haarverlängerung für 1500 Euro –, musste sie ihren Freund um das Geld bitten. „Aber das Kapuzineräffchen war für uns beide“, erklärte die 20-Jährige ernsthaft.

Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe riet dem Gericht, bei der Angeklagten Jugendrecht anzuwenden. Denn wenn es auch keine Brüche in dem recht erfolgreichen Lebenslauf der jungen Bankkauffrau gibt, so sei bei ihr „das Innere noch nicht so ausgereift“. Sie habe schließlich dem ständigen Drängen des Freundes nachgegeben, an den sie eine „sehr enge emotionale Bindung“ hatte und der Vortäuschung eines Überfalls zugestimmt.

Ob sie speziell dafür eine deutlich erhöhte Geldsumme in großen Scheinen angefordert hat, blieb offen. Auch warum der Täter 25 000 Euro am Schalter liegen gelassen hat. Ebenso wie die Frage nach dem Verbleib von rund 70 000 Euro, die weder ausgegeben noch aufgefunden wurden.

Über hundert Positionen standen auf der Asservatenliste, die von der Richterin verlesen wurde. Von „Fingernagelschmutz“ und „Klebebandresten“ über Highheels, Markenkleidung und –accessoires sowie Sturmmützen bis zu teurer Elektronik, zum Motorrad und den beiden Schreckschusspistolen, die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden.

Einige Dinge werden die Angeklagten zurückbekommen. Aber nichts, was mit dem Beutegeld angeschafft wurde. Das geht an die „Verletzte“, die Kreissparkasse Freudenstadt.

Die Bank hat ihrer früheren Mitarbeiterin fristlos gekündigt und stellt hohe Geldforderungen. Denn die Versicherung hat nicht die ganze Beute ersetzt.

Der Staatsanwalt forderte zwei Jahre Jugendstrafe bzw. drei Jahre und zehn Monate Gesamtfreiheitsstrafe. Die Bank habe es der jungen Frau „recht einfach gemacht“.

So war die Überwachungskamera in der Filiale defekt, und niemand bemerkte die überhöhte Geldanforderung. Der Rottweiler Verteidiger der Bankangestellten plädierte auf eine Jugendstrafe zwischen 18 und 22 Monaten.

„Maximal drei Jahre!“ wollte der Löffinger Anwalt des Angeklagten diesen hinter Gittern sehen. Denn die hiesigen seien „schreckliche Anstalten!“

Der Verteidiger monierte auch, dass die angeklagten Fahrten „unter den Augen der Polizei“ erfolgt seien, die das Pärchen bereits in Verdacht hatte. Wäre die Verhaftung eher erfolgt, wäre auch weniger Geld verpulvert worden.

So stehe der „arme Kerl“ mit Schulden da, die er in seinem Leben nie abtragen könne. Denn schließlich kämen ja noch fünf Prozent Zinsen dazu. Nicht zu reden von der möglichen Abschiebung in ein Land, in dem keine Verwandten außer einer alten Tante lebten.

Der Prozess mit sechs Zeugen war eigentlich auf zwei Tage angelegt, konnte aber wegen der Geständnisse gestern schon beendet werden.

Einige der Freunde des Pärchens trugen T-Shirts mit der fordernden Aufschrift „FREE E. FREE H.“ Auch die Eltern und zahlreiche Verwandte drängten sich im Zuhörerraum. Dort verfolgten auch Bankangestellte den Prozess mit ernten Mienen.

Das Urteil gegen die 20-Jährige, das für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist schon rechtskräftig.

Das Urteil umfasst auch 150 soziale Arbeitsstunden. Der Verteidiger des Angeklagten will noch über Berufung oder Revision nachdenken.

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Erstellt:
13.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 20sec
zuletzt aktualisiert: 13.12.2016, 01:00 Uhr

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