Mitten ins Herz

24.11.2015

Rubén (Julio Chávez) hätte das Zeug zum Überraschungsstar in einem Noir-Thriller. Stattdessen sieht man, wie er in einem meerblau gekachelten Bad seine Morgentoilette beendet. Ungewöhnlich ist nur, dass eine kugelsichere Weste zu seiner Grundausstattung gehört. Rubén ist Leibwächter („El custodio?) des Ministers für Planung. Ein Job, der sich vor allem aus Warten, Herumstehen und gelegentlichen Demütigungen zusammensetzt.

Die Schauplätze sind meist irgendwelche Straßenränder, Parkplätze und leere Ministeriumsflure. Der Leibwächter ist eine Art lebendes Inventarstück dieser Nicht-Orte, die für den Minister samt Entourage nur unbeachtete Durchgangsstationen sind. Nur das Signalgeräusch der sich öffnenden Aufzugtüren akzentuiert die Stille. Und doch folgt man gespannt jeder von Rubéns Bewegungen.

Vielleicht weil der junge argentinische Regisseur Rodrigo Moreno diese Szenerie vor die Kamera nimmt, als sähe man sie zum ersten Mal. Zugleich geht von Rubén jene latent explosive Teilnahmslosigkeit aus, die an den „Fremden? von Camus erinnern mag. Das Privatleben des verschlossenen Mannes ist eher noch trister als sein Job. Eine durchgeknallte Schwester und deren ungeschickte Tochter sind alles, was er an Familie hat. Sex kauft er sich gelegentlich bei billigen Prostituierten.

Es hilft nicht wirklich, dass die Details, die er vom Leben anderer zu beobachten gezwungen ist, auch nicht prickelnd sind. Nicht einmal die kleine Sehnsucht, einmal im Meer zu baden, kann er als Begleitung des Ministers realisieren. Das Meerblau seines Badezimmers in der Eingangssequenz ist wie ein Code für die Farbe wie für die Unbestimmtheit seiner eigenen Wünsche. Irgendwann wird Rubén ausrasten ? so kontrolliert, wie man ihn stets erlebt und deshalb so verheerend.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 49sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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