Todesschuss in Hechingen

Mord als Missverständnis: Vieles deutet auf Verwechslung hin

Vier Tage nach den Geschehnissen in Hechingen deutet vieles darauf hin, dass der erschossene Umut K. einer tragischen Verwechslung zum Opfer fiel.

06.12.2016

Von HARDY KROMER

Jeden Abend um 18 Uhr, zur Todesstunde des 22-jährigen Umut K., versammeln sich Dutzende von Freunden und Angehörigen am Tatort an der Hechinger Staig, um gemeinsam zu trauern. Foto: Hardy Kromer

Jeden Abend um 18 Uhr, zur Todesstunde des 22-jährigen Umut K., versammeln sich Dutzende von Freunden und Angehörigen am Tatort an der Hechinger Staig, um gemeinsam zu trauern. Foto: Hardy Kromer

„Bei uns an der Schule war allen sofort klar, dass Umut nichts mit Drogen zu tun hat“, sagt Karl-Heinz Rauch, Rektor der Hechinger Alice-Salomon-Schule, an der der 22-jährige Bisinger Umut K. im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hat. Und jetzt sollte der junge Mann, der in Konstanz Jura studieren wollte und der im Jugendgemeinderat seiner Heimatgemeinde aktiv war, einer Schießerei im Rauschgiftmilieu zum Opfer gefallen sein? Vergangenen Donnerstag war der Sohn einer kurdischen Familie in Hechingen auf offener Straße aus einem Auto heraus erschossen worden.

Inzwischen wird immer klarer erkennbar, dass Umut K. sich einfach zur falschen Zeit am falschen Ort befand – und in denkbar schlechter Gesellschaft. Was am Tag nach der Tat noch ein Gerücht schien, das sich langsam im geschockten Zollernalb-Städtchen am Fuße der Burg Hohenzollern ausbreitete, scheint sich nun zur Tatsache zu verdichten: Der Todesschuss hat offenbar nicht dem jungen Kurden gegolten, sondern einem Mann, der mit ihm zusammen eine Spielhalle in der Nähe des Tatortes verlassen hatte. Dieser Mann soll ein Italiener aus dem Raum Heilbronn sein, der sich erst seit kurzem in Hechingen aufhält, nachdem er eine Gefängnisstrafe wegen Drogendelikten abgesessen hatte. Mit ihm sollen der Todesschütze und seine Kompagnons noch eine Rechnung offen gehabt haben.

Die vier verhafteten Tatverdächtigen – auch das hat inzwischen die Runde gemacht – sind ebenfalls Männer italienischer Herkunft. Drei von ihnen wurden bereits am Freitag im Raum Burladingen von Spezialeinsatzkräften der Polizei festgenommen, einer stellte sich am Samstagmorgen der Hechinger Polizei. Die Südeuropäer, von denen zwei unter Mordverdacht stehen und zwei mit Drogendelikten zu tun haben sollen, haben in Hechingen ganz in der Nähe des Tatortes einen Pizza-Lieferservice betrieben.

Die Menschen im Umfeld des Erschossenen wünschen sich baldige Klarheit: Offiziell steht Umut K. noch immer als zentrale Figur in einem Drogenkrieg da. „Diese Rufschädigung darf nicht an ihm hängen bleiben“, sagt sein ehemaliger Schulleiter Karl-Heinz Rauch. Er und seine Schulgemeinde planen inzwischen, eine Gedenktafel für diesen „ganz besonders beliebten Schüler“ zu finanzieren. Angebracht werden soll sie am Tatort, einer kleinen Parkanlage am Fuße der Staig, die in Hechingen die Unterstadt mit der Oberstadt verbindet. Dort versammeln sich täglich um 18 Uhr, zu Umuts Todesstunde, Dutzende Freunde und Verwandte, um dem offenbar so schicksalhaft Verstorbenen zu gedenken.