Mord in Haiti

Mord in Haiti

Drama um den jähen sozialen Abstieg eines Ehepaars, verursacht durch die Erdbeben-Katastrophe auf Haiti im Januar 2010.

07.11.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Mord in Haiti

2010 wurde der karibische Inselstaat Haiti von einem Erdbeben heimgesucht, das mehr als 300000 Menschen das Leben gekostet und fast zwei Millionen obdachlos gemacht hat. Die internationale Hilfswelle, die danach angerollt ist, hat den Betroffenen jedoch wenig gebracht, oft sogar geschadet ? so jedenfalls schildert es Raoul Peck in seinem Dokumentarfilm „Tödliche Hilfe?, der vor zwei Jahren bei den Französischen Filmtagen gezeigt wurde. Jetzt hat Haitis bekanntester Regisseur die Folgen des Erdbebens noch einmal filmisch verarbeitet ? diesmal in Form eines Sozial- und Beziehungsdramas.

Im Mittelpunkt steht ein Ehepaar aus der Oberschicht, das verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist. Die beiden haben die Katastrophe unversehrt überstanden, ihre Villa auf einem Hügel vor der Stadt ist zwar beschädigt, aber zum Teil noch bewohnbar. Dass ihr Verlust bedeutend größer ist, erfährt man erst später. Um die Reparaturen zu finanzieren, vermieten die beiden ein Teil des Hauses an einen NGO-Mitarbeiter, der über unbegrenzte Lebens-Mittel verfügt ? während die Eheleute sich das Nötigste mühsam auf dem Schwarzmarkt zusammensuchen müssen. Zudem hält er sich eine einheimische Geliebte, die er aus den Trümmern eines Armenviertels gezogen hat.

Konzentriert auf diesen einen Schauplatz entwickelt Peck ein eindringliches Miniatur-Porträt seines Heimatlandes. Es geht um die extremen Klassengegensätze, die sich nach der Katastrophe teils noch verschärfen, teils aber auch kurzzeitig übertüncht werden. Um Entwicklungshelfer, die die Einheimischen wie unmündige Kinder behandeln und sich mit ihrer Hilfe vor allem selber helfen. Und auch um die seelischen Wunden, die angesichts der vielen Toten und Versehrten erst mit Verzug zutage treten. Obwohl das Drama äußerlich ruhig abläuft, spürt man in jeder Einstellung Pecks Wut auf das selbst- und fremdverschuldete Elend, das Haiti im Würgegriff hält - mit oder ohne Erdbeben.

Im Mikrokosmos eines Hauses in Haiti überlappen sich Natur- und Sozialkatastrophe.