Musik, gewaltig wie das Meer

Gesprächskonzert Das Leben und Werk von Johann Sebastian Bach will Organist Michael Grüber den Menschen näherbringen. Freitag war der erste von fünf Abenden.

05.12.2016

Von Dunja Bernhard

Mehr als 50 Zuschauer wollten sich Michael Grübers Gesprächskonzert am Freitagabend anschauen. Bilder: Kuball

Mehr als 50 Zuschauer wollten sich Michael Grübers Gesprächskonzert am Freitagabend anschauen. Bilder: Kuball

Sichtlich ergriffen war der Kirchenmusiker Michael Grüber am Freitagabend darüber, dass über 50 Zuhörerinnen und Zuhörer zu dem Gesprächskonzert auf die Empore der Horber Johanniskirche gekommen waren. Seit mehr als zwei Jahren beschäftige er sich intensiv mit Johann Sebastian Bach, sagte Grüber. „Der Abend ist ein Höhepunkt in meinem Leben.“ Auf die Zuhörer komme jedoch einiges zu an den fünf Abenden, warnte er mit einem verschmitzten Lächeln.

„Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen“, sagte Grüber. Bachs Lebensgeschichte sei so spannend wie ein Krimi. Er habe im Gefängnis gesessen, habe gesoffen und geraucht. Doch dazu später. Der erste Abend beschäftigte sich mit Bachs Kindheit.

Als jüngstes von acht Kindern 1685 geboren, wuchs Bach zunächst in Eisenach auf. Johann Sebastians Vater war Stadtpfeifer. Zusätzlich zu seiner Anstellung gab der Musiker Unterricht. Die Schüler des Vaters lebten mit im Bachschen Haus. „Der kleine Johann Sebastian hörte den ganzen Tag Musik.“ Es sei also kein Wunder gewesen, dass er Musiker wurde.

Mit fünf Jahren kam Bach in die Schule. „Er ging in die selbe Grundschule wie Martin Luther – nur 200 Jahre später.“ Als er neun Jahre alt war, starb seine Mutter und ein Jahr später sein Vater. Später, als Bach erwachsen war, starben von seinen eigenen zwanzig Kindern sieben. „Welches Leid hat er erfahren!“, sagte Grüber. Wie viel habe er sich mit dem Tod beschäftigen müssen. „Dieses Seufzen“, das in vielen Chorälen von Bach zu hören sei, rühre daher.

Grüber musizierte auf dem E-Cembalo eine dreistimmige Sinfonia in f-moll, die Bach 1723 in ein Klavierbuch für seinen Sohn Wilhelm Friedemann schrieb. Melancholisch erklang immer wieder die Tonfolge B-A-C-H. Unter viele Komposition setzte Bach die Buchstaben S.D.G. für soli deo gloria – dem alleinigen Gott die Ehre.

Zurück zu Bachs Kindheit: Der große Bruder Johann Christian nahm das 9-jährige Waisenkind auf. „Aber nicht aus Liebe, sondern notgedrungen“, sagte Grüber. Der kleine Johann Sebastian musste zu seinem Unterhalt beitragen. „Er war Sopransänger mit einer wunderbaren Stimme.“ Durch die Straßen ziehend verdiente er singend Geld.

Nachts stibitzte er aus dem Notenschrank des Bruders Partituren, die er mangels eines anderen Lichts, bei Mondschein abschrieb. Für Bach war es eine wunderbare Beute, denn ihn interessierte alles, was mit Musik zu tun hatte. „Bach hat nie Musik studiert“, sagte Grüber. Musiker war damals ein Handwerksberuf. Bach erhielt auch nie Kompositionsunterricht. „Er hat sich alles abgeguckt.“

Als Bach 15 Jahre alt war, schmiss der Bruder ihn raus. Mit einem Freund zusammen, machte sich Johann Sebastian auf den Weg nach Lüneburg – 380 Kilometer zu Fuß. In Lüneburg und Hamburg lebten die damaligen Meister der Musik: Dieterich Buxtehude und Vincent Lübeck. „Da hat es anders geklungen als in der Provinz.“ Bach hörte, was Lübeck mit dem Orgelpedal machte und setzte diese Musik zunächst mit den Fingern um. Zu mehr habe der Jugendliche wohl noch nicht den Mut gehabt, sagte Grüber.

Später habe Bach mal eine Abmahnung bekommen, weil er beim Gottesdienst, „so verrückte Töne“ als Improvisationen in die Choräle einband. Er war seinen Zuhörern weit voraus. „Bach hat den Wahnsinn abgelassen“, sagte Grüber. Er habe andere Visionen gehabt als seine Vorfahren. Jeder Ton sei in Bachs Kompositionen perfekt. „Nicht einer dürfte fehlen.“ Bach sei erst 17 Jahre alt gewesen, als er die weltbekannte Toccata in d-Moll schrieb. Grüber umrahmte den Abend mit diesem wunderbaren Orgelwerk.

Beim ersten Orgelton des Abends schlug Peter Krause die erste Masche mit den Stricknadeln an. Bis zum Reformationstag will er zusammen mit vielen Gleichgesinnten die Orgel einstricken: Eine Verhüllungsaktion à la Christo zum Luther-Jahr (die SÜDWEST PRESSE berichtete). „Ohne Luther hätte es die Musik von Bach so nicht gegeben“, ist Grüber überzeugt.

Der Beginn eines Mammutprojekts: Peter Krause begannam Freitag damit die Orgeleinzustricken.

Der Beginn eines Mammutprojekts: Peter Krause begann
am Freitag damit die Orgel
einzustricken.