Astronomie

Nach dem Wetter versagte die Technik

Gestern hätte das Wetter den NASA-Forschungsflug von Kalifornien aus mit vier deutschen Lehrern möglich gemacht, doch ein Defekt in der Klimaanlage verhinderte den Start.

22.02.2019

Von Joachim Groß

Der Kiebinger Joachim Groß vor dem Forschungsflugzeug, das gestern wegen eines technischen Defekts in der Klimaanlage nicht startete. Privatbild

Der Kiebinger Joachim Groß vor dem Forschungsflugzeug, das gestern wegen eines technischen Defekts in der Klimaanlage nicht startete. Privatbild

Gestern haben wir es immerhin bis ins Flugzeug geschafft, das Wetter hat sich freundlich gebärdet, auch wenn es für Kalifornien weiterhin ungewöhnlich kalt ist. Der Ablauf des Mission Briefing war also ganz normal, die wissenschaftlichen Ziele waren die selben wie beim ausgefallenen Flug vorgestern: Es geht um die Messung von Magnetfeldern in Stern-Entstehungsgebieten und Galaxien. Es wird in der Astrophysik immer klarer, dass Magnetfelder beim Kollaps von Staubwolken eine große Rolle spielen und die Entstehung neuer Sterne stark beeinflussen.

Nach dem Briefing hat man eine halbe Stunde Zeit, um nochmal eine richtige Toilette zu benutzen und seine Sachen an Bord zu bringen: eine Kamera, warme Kleidung, da es im Lauf der Nacht im Flugzeug empfindlich kühl werden kann, etwas zu essen und etwas deutsche Schokolade, die bei der Crew sehr beliebt ist. Als wir an Bord kamen war die Atmosphäre entspannt, Wissenschaftler und Teleskop-Operateure saßen an ihren Konsolen und bereiteten die Messungen vor. Unsere Piloten begrüßten uns herzlich. Besonders die Kopilotin war sehr an uns interessiert und unterhielt sich mit Jedem.

Nach einer Weile begann es nach Problemen auszusehen, die Leute standen in Gruppen im Flugzeug und diskutierten. Eines der Kühlaggregate der Klimaanlage im Flugzeug funktionierte nicht richtig. Das Teleskop ist in einem Öllager aufgehängt, das beim Betrieb sehr warm wird und deshalb gekühlt werden muss. Ohne das Kühlaggregat also kein Flug!

Die Techniker tauschten ein Teil aus. Immer wieder konnte man das Aggregat anspringen hören, weil es teilweise auch für die Kabinenluft benutzt wird. Man hört dann ein Zischen über den Sitzen. Jedes Mal hielten wir den Atem an in der Hoffnung, dass es funktioniert. Aber es schaltete sich immer nach ein paar Sekunden wieder ab. Als unser Late-Takeoff-Spielraum aufgebraucht war, musste man den Flug für diese Nacht aufgeben.

Eine herbe Enttäuschung, nicht nur für uns. Die Wissenschaftler, die mit diesem speziellen Instrument beobachten wollten, hatten sieben Flüge in zwei Wochen eingeplant. Gestern hätte der letzte davon sein sollen. Es war schon der vierte, der ausfiel (drei mal wegen Wetter, einmal aus technischen Gründen). Ich fühlte mich an Berichte von Raketenstarts erinnert, bei denen die Astronauten stundenlang in der Kapsel auf der Startrampe saßen und irgendwann wegen widriger Umstände wieder aussteigen mussten, weil der Start verschoben wurde. Jetzt weiß ich ansatzweise, wie man sich in einer solchen Lage fühlt.

Die Leute des Stratosphären- Observatoriums und sogar die Wissenschaftler, denen ihre Beobachtungsmöglichkeiten davon schwammen, nahmen die Sache erstaunlich gelassen. Sie erklärten uns, das sei in der beobachtenden Astronomie nicht ungewöhnlich. Es können immer mal Wolken oder Dunst Beobachtungen unmöglich machen. Aber sie haben die Möglichkeit, ihre Beobachtung nachzuholen. In unserer Lehrergruppe waren die Reaktionen unterschiedlich, von ein paar Tränen bis gelassener Akzeptanz („Man kann es ja sowieso nicht ändern“). Unsere Betreuerin vom Deutschen Sofia Institut (DSI) an der Uni Stuttgart, Antje Lischke-Weis, brauchte auch eine Weile, um den Tiefschlag zu verarbeiten.

Heute früh die erlösende Nachricht: Wir dürfen entweder unseren Aufenthalt verlängern und am Dienstag einen weiteren Versuch machen oder wiederkommen. Das tröstet doch ganz beträchtlich. Und heute gibt es noch ein Trostpflaster, das mich als technikbegeisterten Physiker sehr freut: Wir können zumindest teilweise den Instrumentenwechsel mitverfolgen, der jetzt ansteht. Ein Instrument ist etwa eine dreiviertel Tonne Technik, die in Millimeterarbeit durch die Flugzeugtür bugsiert werden muss und dann am Teleskop montiert wird.

Bei aller Enttäuschung über die verpassten Fluggelegenheiten ziehe ich trotzdem eine positive Zwischenbilanz: Wir durften erleben, wie astronomische Forschung betrieben wird, mit welcher Hingabe Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker ihre Arbeit machen und wie komplex die Systeme sind, die man dazu braucht. Und ja, es war ein unverfälschter Einblick mit allen Höhen und Tiefen, die die Leute hier auch erleben.

Ich schließe mit einer für uns alle sehr besonderen Begebenheit. Vorgestern hatten wir ein kurzes Gespräch mit Eddie Zavala, dem Program Manager von SOFIA, also dem Chef. Er erzählte uns, warum er die Arbeit mit Kindern und unseren Beitrag zu SOFIA als „Ambassadors“ so wichtig findet.

Er hatte als Junge den Traum, Astronaut zu werden und auch die nötigen Gaben in Naturwissenschaften und Mathematik. Aber dann musste er noch als Schüler eine Brille tragen – damals das Aus für einen Astronauten. Sein Mathematiklehrer ermutigte ihn, trotzdem ein Studium der Luft- und Raumfahrt anzustreben und half ihm, in den letzten zwei Schuljahren die nötigen mathematischen Kenntnisse zu erwerben, gegen alle Lehrplanregeln. Das war der Türöffner zu seinem heutigen Job.

„Wenn Du nur eines dieser Kinder erreichst, ist es das alles wert“ lautete seine Ermutigung für uns Lehrer. Neben seinem sicher anstrengenden Posten bei der NASA geht er immer wieder in Schulen und arbeitet mit Kindern.

Ich habe ihn gefragt, warum er Astronomie wichtig findet, warum wir Menschen so viel Mühe und Geld in die Forschung stecken. Seiner Antwort kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen: Menschen streben nach Perfektion: Überall achten und schätzen wir es, wenn Dinge sehr gut gemacht werden. Selbst ein Gebiet zu finden, in dem wir brillieren können, ist deshalb motivierender als alles Andere. Bildung ist der Schlüssel dazu. Der Weg zur Perfektion ist mühsam, und wir müssen den Schülern den Weg dahin zeigen.

Ganz viel Pech für Johannes Groß und die drei anderen Lehrer

Joachim Groß aus Kiebingen ist Physiklehrer am Graf-Eberhard-Gymnasium in Bad Urach und Leiter des Schülerforschungszentrums Reutlingen-Tübingen-Neckaralb in Eningen. Er ist einer von vier Lehrern in Deutschland, die aufgrund ihrer Bewerbung ausgewählt wurden, an zwei Forschungsflügen vom NASA-Stützpunkt Palmdale in Kalifornien aus mitzufliegen. An Bord einer zur Sternwarte umgebauten Boeing 747 wollte und sollte er mit in die Stratosphäre vordringen, in jene Schicht der Erdatmosphäre, die rund 13 Kilometer über der Erdoberfläche und damit oberhalb des Wettergeschehens liegt. An Bord ist ein in Deutschland gebautes Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 2,70 Metern, das für astronomische Beobachtungen im Infrarot- und Submillimeter-Wellenlängenbereich weitgehend oberhalb der störenden irdischen Lufthülle eingesetzt wird.

Die unerwartet widrigen Wetterverhältnisse und gestern ein technischer Defekt verhinderten das allerdings.

Wir drucken den Bericht, den uns Joachim Groß gestern schickte, im Wortlaut, aber stark gekürzt ab.