„Es geht alles sehr langsam“

Nach den Beben: Matthias Baumann baut in Nepal Schulen und Krankenhaus

Ein Jahr nach den verheerenden Erdbeben in Nepal läuft der Wiederaufbau nur schleppend an. Der Tübinger Arzt und Bergsteiger Matthias Baumann hat 400 000 Euro gesammelt. Damit will er drei Schulen und ein Krankenhaus in Nepal bauen.

23.04.2016

Von MADELEINE WEGNER

Vor einem Jahr zerstörte ein Erdbeben große Teile von Nepal. Der Wiederaufbau wird noch Jahre andauern.Bild: Baumann

Vor einem Jahr zerstörte ein Erdbeben große Teile von Nepal. Der Wiederaufbau wird noch Jahre andauern.Bild: Baumann

Tübingen. Wenige Tage nach dem ersten schweren Erdbeben im April 2015 flog der Tübinger Unfallchirurg und Bergsteiger Matthias Baumann für knapp zwei Wochen nach Nepal, um ehrenamtlich in einem Bergkrankenhaus Verletzte zu operieren. Der 44-Jährige ist Oberarzt an der Tübinger BG Unfallklinik. Im Laufe eines Jahres hat er 400 000 Euro Spendengelder gesammelt. Damit will er in Nepal drei Schulen und ein Krankenhaus bauen.

„Die Soforthilfe letztes Jahr hat gut geklappt, aber größere Hilfsprojekte lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen umsetzen“, sagt Baumann. Das sei für ihn eine Geduldsprobe gewesen: „Als Chirurg willst du ja immer möglichst schnell helfen.“ In Nepal läuft der Wiederaufbau nur langsam an. Baumann war mehrmals in dem Himalaya-Staat, er hat mittlerweile Freunde dort, zu denen er Kontakt hält. „Es ist noch nicht viel passiert – im großen Stil noch gar nichts“, sagt der 44-Jährige.

Die Hilfsgelder wurden zu einem großen Teil noch gar nicht eingesetzt. „Es geht alles sehr langsam“, sagt Baumann. Das hat auch politische Ursachen. Nach der Verfassungsänderung im September vergangenen Jahres protestierte vor allem die Volksgruppe der Madhesi im Süden des Landes, an der Grenze zu Indien. Sie forderten gleiche Bürgerrechte. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, mehr als 40 Menschen starben. Zugleich waren Transporte aus Indien blockiert. Monatelang gab es kaum Benzin oder Baustoffe. „Das war die Katastrophe nach der Katastrophe“, sagt Baumann.

Er kennt das Mount Everest-Gebiet gut. Bereits zwei Mal wollte er den Gipfel des höchsten Berges der Welt erklimmen. Als eine Lawine im April 2014 losbrach und 16 Sherpas starben, war Baumann als Expeditionsarzt im Basislager am Everest – von seinem Zelt aus hat er die Lawine aus Schnee, Eis und Geröll gesehen. Schon bei dieser Katastrophe leistete er nicht nur Soforthilfe, sondern wollte die Menschen auch nachhaltig unterstützen. Er sammelte Spenden, um den Familien der verunglückten Sherpas zu helfen. Mit dem Geld richtete er 50 Patenschaften ein, um die Schulbildung von Waisenkindern zu sichern.

Mit den Spenden, die nach der Erdbeben-Katastrophe zusammengekommen sind, wollte er ebenfalls Kindern helfen und dachte deshalb zunächst an ein Waisenhaus. „Kinderschlepper waren in Nepal schon immer ein Problem“, sagt Baumann. Nach den Erdbeben habe sich die Situation jedoch deutlich verschärft: Die Schlepper nehmen Waisen oder Kinder aus armen Familien mit – in dem Versprechen, sie besser zu versorgen, zwingen sie jedoch zu Kinderarbeit oder Prostitution. Der Staat reagierte darauf, verschärfte die Auflagen und stoppte beispielsweise den Bau von Waisenhäusern. Baumann entschloss sich deshalb, Schulen zu bauen. Auch das ist nötig. „Immer noch findet der Unterricht überwiegend in Zelten statt“, sagt Baumann.

Zumindest gibt es mittlerweile sowohl Baugenehmigungen als auch Material. Und zwei der geplanten Schulen werden bereits gebaut. Im Everest-Gebiet, in der Region Khumbu, die vom zweiten schweren Beben am 12. Mai besonders stark betroffen war, und eine weitere Schule in Sindhupalchok, wo das erste Beben war und wo er im Krankenhaus operiert hatte. Beide Gebäude sollen im Herbst fertig sein. Für die dritte Schule steht bereits der Entwurf.

Ein Krankenhaus müsse im Vergleich zu einem Schulgebäude besonders gut geplant werden, sagt der Chirurg. Es soll der Grundversorgung dienen, mit sechs bis acht Betten und zwei oder drei Ärzten. „So ein kleines Bergkrankenhaus ist unheimlich wichtig für die Menschen dort“, sagt Baumann. Sherpas hätten ihm berichtet, dass es an medizinischer Versorgung besonders mangele. Im gesamten Everest-Gebiet gibt es nur ein Krankenhaus: Das „Hillary Hospital“ ließ Edmund Hillary, der Erstbesteiger des Mount Everest, erbauen. „Himalayan Sherpa Hospital“ soll nun das zweite Krankenhaus heißen. Sie werden zwei Tagesmärsche voneinander entfernt liegen.

Für alle vier Projekte sind eigentlich 600 000 Euro nötig. Doch Baumann ist zuversichtlich, dass auch das fehlende Geld noch zusammenkommt. Bei der Planung und dem Bau arbeitet er mit verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen vor Ort in Nepal zusammen.

Für Baumann führte der Weg vom Bergsteigen hin zu Bauprojekten: „Eigentlich wollte ich auf den höchsten Berg. Jetzt ist ein anderer Everest entstanden“, sagt er, „das ist vielleicht nachhaltiger als der persönliche Everest“.

Matthias Baumann

Matthias Baumann

Spendenkonto

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Kennwort: „Erdbeben Opfer“

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