Telenovela trifft Dogma: Damit auch mal die gebildeten Stände weinen dürfen.

Nach der Hochzeit

Telenovela trifft Dogma: Damit auch mal die gebildeten Stände weinen dürfen.

24.11.2015

Von che

Nach der Hochzeit

Da ist der schwer reiche Wirtschaftskapitän (Rolf Lassgård), der seinen nahen Krebstod vor Augen Frau und Kinder in gute Hände geben will. Dann gibt es den barmherzigen Samariter Jacob (Mads Mikkelsen), der sich nach unsteten Kiffer-Jahren in Indien nun selbstlos um Waisenkinder aus den Slums kümmert; zum Spendensammeln nach Europa beordert, wird er aus heiterem Himmel mit der Existenz einer erwachsenen Tochter konfrontiert. Diese wiederum erwischt bereits wenige Tage nach der Traumhochzeit den aaligen Gatten mit ihrer besten Freundin in den Bettlaken.

Diese rohen Plot-Komponenten, die noch dazu wahre Sturzbäche an Tränen zeitigen, stünden auch einer Telenovela gut zu Gesicht. Und dennoch gilt der Film von Regisseurin Susanne Bier („Open Hearts?) und Drehbuchautor Anders Thomas Jensen (zuletzt „Adams Äpfel?) als Glanzstück des europäischen Qualitätskinos, wurde für den Europäischen Filmpreis und just auch für den Auslands-Oscar nominiert.

Nicht zu Unrecht, denn unterhalb der trivialen Handlungs-Oberfläche kommen nach und nach überraschend zerrissene Charaktere zum Vorschein. So entpuppt sich Jacobs verbissen betriebenes soziales Engagement weniger reinem Idealismus geschuldet als einem unbewältigten Ekel vor seinem verpfuschten Leben. Auch die noch stark von der Dogma-Ästhetik beeinflusste (aber nicht unterjochte) Bildsprache setzt irritierende Kontrapunkte.

Trotz dieser Bremsklötze gegen schlichte Gefühligkeit lassen die beiden Dänen aber schon dem Melodrama seinen zu Bittersüßen drängenden Lauf. Und kommen dabei dem Ideal der Genre-Meister (Douglas Sirk, Ang Lee) recht nahe, große Gefühle vom groben Kitsch säuberlich zu trennen.