Melancholische Großstadt-Odyssee von einer Handvoll Menschen in einer Nacht in Berlin.

Nachtgestalten

Melancholische Großstadt-Odyssee von einer Handvoll Menschen in einer Nacht in Berlin.

24.11.2015

Von joh

Nachtgestalten

Da sind sie wieder hübsch beisammen, Arm in Arm zum sozialen Randgruppenbild: das Pennerpärchen, die Fixerin, das Ausländerkind, die Crash-Kids, keiner darf fehlen. Und weil man sich auf der Schattenseite des Lebens keine Tagescreme ins Gesicht schmiert, sind alle natürlich furchtbar ungeschminkt und echt.

Andreas Dresen, Regisseur von "Nachtgestalten", hat seine Jungdarstellerin extra für die Kostümprobe zum Babystrich geschickt und in einem echten Stundenhotel gedreht. Und trotzdem sehen die Gestrandeten mit ihren Plastiktüten und Augenrändern wieder genau so aus wie in den alten Tatorts, sagt der Film keine einzige Wahrheit über die nächtlichen Gehsteige Berlins, die wir nicht schon aus Uli Edels "Christiane F."-Verfilmung wissen.

Warum dann bloß der Lobesschwall auf die angebliche Realitätsnähe von "Nachtgestalten"? Hatten da einige Festivalbesucher ein schlechtes Gewissen, weil sie sich in einem Film über das Elend so gut amüsiert haben? Die drei in Soap-Manier verwobenen Erzählstränge sind nämlich alle recht nett: Pennerpaar will Hunderter verprassen, männliches Land-ei becirct Stricherin, Kapitalist muss schwarzes Findelkind an den Erziehungsberechtigten bringen. Die Schauspieler (keine Stars dabei) sind ausnahmslos großartig, die Dialoge machen Spaß, die Explosion eines Autos und der hastige Sex im Rhythmus des empörten Klopfens der Zimmerwirtin werden zu Momenten ungeahnter Poesie inszeniert.

Und am Ende, ganz verschämt, sagt uns der Film sogar noch etwas. Kein Wort über die Outlaws, wie erwähnt, auch wenn Andreas Dresen das vielleicht gern so gehabt hätte. Viel mehr über die, die das Geld besitzen, das niemanden glücklich macht. Und darüber, aus welchen unterschiedlichen Haltungen heraus sie es denen geben, die ihr Mitleid provozieren. Der besagte Kapitalist, der in jedem ähnlichen Film am Schluß der Hanswurst gewesen wäre, darf "Nachtgestalten" als guter Mensch beenden. So viel Güte muss man einem Film hoch anrechnen