Eutingen · Verkehr

Nächster Halt: Eutingen-Nord

Mit einem Festakt wurde am gestrigen Sonntagmittag der neue Bahnhaltepunkt im Gäu eingeweiht. Ein Ereignis, auf das man lange gewartet habe, wie Bürgermeister Armin Jöchle im Beisein von Verkehrsminister Winfried Hermann betonte. Die Kosten für den ortsnahen Halt betragen für die Gemeinde 490 000 Euro.

16.12.2019

Von Maik Wilke

Nächster Halt: Eutingen-Nord

Dass ein kurzer Weg zu den Haltestellen nötig ist, um Autofahrer von einem Umstieg auf die Bahn zu überzeugen, hat man in Stuttgart erkannt. Dass bis zur Realisierung eines neuen Bahnhaltepunkte mehr als 20 Jahre vergehen, kann folglich nicht im Sinne des Verkehrsministeriums sein. Als „überfällig“ bezeichnete Winfried Hermann daher am gestrigen Sonntag die Einweihung des Bahnhaltepunkts Eutingen-Nord. Der baden-württembergische Verkehrsminister zeigte für den langgehegten Wunsch der Eutinger Bürger nach einem ortsnahen Haltepunkt Verständnis – um sie aber gleich auch in die Pflicht zu nehmen: „Wenn es so umständlich ist, zu einem Bahnhof zu kommen wie das bisher in Eutingen der Fall war, dann ist man mit dem Auto schon die Hälfte der Strecke gefahren. Ab jetzt gibt es aber keine Ausreden mehr.“

Diese scheinen die Eutinger auch überhaupt nicht zu wollen; trotz strömendem Regen erschienen zum kleinen Festakt am Mittag weit mehr als 100 Gäste und füllten das Zelt. Draußen, am Fahrkartenautomat informierte sich ein älteres Pärchen über die Preise für die Strecke nach Freudenstadt. Zahlen mussten die Dame und der Herr an diesem besonderen Tag nicht; die Fahrten der Linie S 8/S 81 zwischen Freudenstadt und Eutingen wurden am Sonntag kostenfrei von der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) angeboten. Ein kleiner Anreiz, die Verbindung zu testen. „Wir wollen die Fahrgäste ja nicht in die Züge prügeln, sondern ein attraktives Angebot schaffen“, betonte Winfried Hermann.

Umstiegsfrei nach Stuttgart?

Helfen soll dabei die neue Taktung; am gestrigen Sonntag trat der Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn in Kraft. Allerdings machte Winfried Hermann den Anwesenden zu viel Hoffnung, als er verkündete: „Rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche steht ein tolles Angebot zur Verfügung. Der Fahrplan sieht eine zweistündige Taktung mit umstiegsfreien Fahrten nach Stuttgart und Freudenstadt vor.“ Da hatte der Minister aber wohl noch nicht die kostenlos verteilten Fahrpläne gelesen. Zum Freudenstädter Hauptbahnhof fährt die S 8 tatsächlich alle zwei Stunden umstiegsfrei – für Fahrten nach Stuttgart gilt dies jedoch nicht: Die S 8 hält zwar alle zwei Stunden in Eutingen-Nord, allerdings nur auf den Verbindungen, die in Bondorf enden. Dort ist weiterhin ein Anschlusszug nötig, um in die Landeshauptstadt zu kommen. Das bestätigte Michael Groh, Leiter Regionalbereich Südwest bei der DB Station&Service, gestern auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE. Die von Hermann verkündete umstiegsfreie Fahrt nach Stuttgart gibt es, dafür müssen die Bürger Eutingens aber weiterhin am vor vier Jahren sanierten Bahnhof Eutingen einsteigen.

Moderne Infrastruktur

Dennoch: Die ortsnahe Einstiegsmöglichkeit stellt für die Gemeinde eine Verbesserung dar, wie Armin Jöchle betonte. Eutingens Bürgermeister nutzte den Besuch
des Verkehrsministers gleich dafür, diesem eine weitere Aufgabe mit nach Stuttgart mitzugeben: „Wir sind alle froh über
den neuen Haltepunkt. Doch eine
Aufnahme aller Haltestellen der Gemeinde in den VVS-Tarif wünschen wir uns
weiterhin.“

Die 490 000 Euro, die Jöchle gestern als Gemeindeanteil zur Finanzierung des mit insgesamt 1,4 Millionen Euro teuren Baus nannte, seien zwar viel, „aber auch gut angelegtes Geld. Wenn im Frühjahr noch der P&R-Parkplatz, der Radweg mit Beleuchtung sowie die Bushaltestelle fertig werden, haben wir eine moderne Infrastruktur, eine moderne Verknüpfung von Mobilität geschaffen.“

Von dieser Modernität ist man andernorts noch weit entfernt. Als Beispiel nannte Winfrid Hermann die Strecke Rottenburg – Tübingen, die bis heute nicht elektrifiziert ist. „Dabei kriegen wir ohne gutes ÖPNV-Angebot die Stauprobleme in den Ballungsräumen nicht gelöst. Zudem müssen wir klimafreundlicher agieren“, betonte Winfried Hermann. Während in der Schweiz schon seit 2004 jede Strecke elektrisch läuft (die letzte Dampftraktion der SBB fuhr 1967), werden in Deutschland noch ein Drittel der Strecken mit Dieselloks befahren. Es bestehe folglich weiterhin immenser Handlungsbedarf.

Barrierefrei gestaltet

Und der hört nicht beim Ausstieg aus den Zügen auf. Mit dem neuen Nahverkehrskonzept des Landkreises Freudenstadt habe man sich das Ziel gesetzt,
„jeden Flecken im Kreis mit den Mittelzentren Horb und Freudenstadt oder
mit einem Bahnhaltepunkt zu verbinden“, wie Landrat Klaus Michael Rückert betonte.

Die 140 Meter lange Haltestelle ist barrierefrei gestaltet, verfügt über eine Wartehalle mit Sitzbänken und einen Fahrkartenautomaten. Den Aufbau des Festzelts sowie die Bewirtung übernahmen der Sportverein sowie der Schützenverein Eutingen. Musikalisch umrahmt wurde der Festakt gleich von drei Kapellen: im Festzelt in Eutingen spielten die Musikkapelle Eutingen und der Musikverein „Eintracht“ Göttelfingen unter Leitung von Peter Bild; im Sonderzug nach Freudenstadt musizierte die Stadtkapelle Dornstetten.

Verkehrsminister Hermann richtet ein Grußwort an die Eutinger. Im Hintergrund Michael Groh von der DB Station&Service.

Verkehrsminister Hermann richtet ein Grußwort an die Eutinger. Im Hintergrund Michael Groh von der DB Station&Service.

Nächster Halt: Eutingen-Nord
Nächster Halt: Eutingen-Nord

Verspätete Realisierung: Keiner will’s gewesen sein

Schon als 2002 die Elektrifizierung der Strecke Freudenstadt nach Eutingen vereinbart wird, wird festgehalten, zusätzliche Haltestellen zu bauen. Darauf – und auf die vielen Rückschläge seither – machte Eutingens Bürgermeister Armin Jöchle bei der Einweihung des Bahnhaltepunkts Eutingen-Nord aufmerksam.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann habe in Vorbereitung auf diesen Termin nach den Gründen für die verspätete Realisierung gesucht – „allerdings konnte sich das bei uns im Haus keiner erklären. Vielleicht können wir die Gründe heute also von der Bahn erfahren.“

Doch auch Michael Groh von der DB Station&Service wollten den Schwarzen Peter nicht annehmen und schob diesen weiter, wie er flapsig formulierte: „Sollte diese Verspätung eventuell, ganz vielleicht auf die Bahn zurückzuführen sein, war sicher eine andere Tochtergesellschaft der Bahn schuld.“

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Erstellt:
16.12.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 39sec
zuletzt aktualisiert: 16.12.2019, 01:00 Uhr

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