Naherholung als Umsatztreiber

Durch Covid erleben vor allem Individualsportarten an der frischen Luft einen Hype. Noch nie wurde vor der eigenen Haustüre so viel gewandert und Fahrrad gefahren. Die Pandemie mischt auch die Outdoor-Händler der Region auf.

25.06.2021

Von TEXT: Rainer Imm|FOTOs: Unternehmen

Der Handel über Internet hat zugenommen. Rund ein Drittel läuft über diesen Kanal.

Der Handel über Internet hat zugenommen. Rund ein Drittel läuft über diesen Kanal.

Neuseeland ist ein Meisterwerk der Natur. Zugegeben, aber muss man gleich 15 Tonnen CO2 verballern und durch die Flugreise dorthin das Zehnfache eines klimafreundlichen Jahresbudgets verbrauchen? Wo doch das Gute so nah liegt. Schon Goethe war auf dem Tübinger Spitzberg „ausspaziert, die Gegend zu sehen. Erst das Ammertal, dann […] auch zugleich das Neckartal“. „Immer weiter schweifen“ und in die Ferne reisen war wegen der Pandemie lange Zeit nicht möglich, so entdecken Outdoor-Begeisterte die Natur vor der eigenen Nase wieder. Lockdown-geplagte Menschen fluten seither den Schönbuch, die Schwäbische Alb und den Schwarzwald. Gewinner müssten doch eigentlich die regionalen Fachhändler für Outdoor-Ausrüstung sein. Tatsächlich verzeichnet die Bergfreunde GmbH aus Kirchentellinsfurt im Jahr 2020 ein Umsatzplus von 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Unternehmen, das mit seinem Sortimentsangebot Berg- und Outdoorsport den Nerv der Zeit trifft, geht auch für 2021 weiter von Wachstum und einer profitablen Geschäftsentwicklung aus. „Die Pandemie hat die Verlagerung der Kundennachfrage vom stationären Handel hin zu digitalen Angeboten beschleunigt“, sagt Steffen Wiggershaus, Head of Markets. Als ausschließlicher Internet-Händler ohne Laden und Outlet kaufen Kunden aus ganz Deutschland und 14 europäischen Ländern bei den Bergfreunden ein. Wiggershaus: „In Deutschland haben wir ein Nord-Süd-Gefälle. Die meisten Kunden kommen aus dem Süden.“

Sowohl stationäre Outdoorläden als auch Internet-Händler blicken optimistisch in die Zukunft.

Sowohl stationäre Outdoorläden als auch Internet-Händler blicken optimistisch in die Zukunft.

Schwerpunkt bleibt der stationäre Verkauf

Online-Bestellungen spielen bei der Tübinger Biwakschachtel, Bergsporthandel und Trekking-Touren GmbH, eher eine untergeordnete Rolle. „Wir sind ein stationärer Laden, der zusätzlich online verkauft“, sagt die Marketing-Verantwortliche Nina Leister. Früher habe der Online-Umsatz keine zehn Prozent ausgemacht. „Mit dem Lockdown dann plötzlich einhundert Prozent, allerdings weit weg vom gewohnten Umsatz bei geöffnetem Laden.“ Aufgrund des neuaufgesetzten Onlineshops rechnet sie aber auch längerfristig mit einem höheren Anteil als zehn Prozent am Gesamtumsatz – auch nach Covid. Schwerpunkt ist und bleibt aber der Verkauf vor Ort mit besten Bergsport-Produkten von hochwertigen und nachhaltig agierenden Markenlieferanten – und das bereits seit der Gründung 1985. Die individuelle Beratung und das Fachwissen des Verkaufspersonals schätzen ihre Kunden, die aus der Region kommen und einen der drei Ladengeschäfte in der Tübinger Altstadt besuchen.

Auch Intersport Adventure in der Reutlinger Straße bedient als stationärer Händler den regionalen Markt. Als Filiale der Sport-Räpple GmbH in Kirchheim unter Teck besitzt sie allerdings keinen eigenen Onlineshop, der wird von der Zentrale aus gesteuert. Natürlich habe der Handel über Internet zugenommen, sagt Marco Rohrmann, der Stellvertretende Filialleiter. „Verkaufsschlager online und vor Ort waren seit Corona-Ausbruch Inline-Skates im Sommer und Langlaufski im Winter. Da waren wir schnell ausverkauft.“ Wie den Mitbewerbern macht auch ihm der Lieferengpass bei vielen Outdoor-Produkten große Sorgen.

Jeder hat seine Stärken

Tatsächlich waren noch nie so viele Deutsche auf individuellen Abenteuerpfaden rund um die eigene Wohnung unterwegs. Und noch nie wurde in der heimischen Region so viel Outdoorsport praktiziert. „Corona hat das Kaufverhalten verändert. Produkte wie Wanderschuhe, Fahrradhelme und Regenjacken waren bei uns sehr begehrt“, sagt Wiggershaus. „Die Menschen suchen sich alternative Möglichkeiten, um in ihrer nächsten Umgebung die Natur zu genießen“, bestätigt Leister. So seien auch bei ihnen Leichtwanderschuhe und Fahrradprodukte sehr begehrt gewesen. „Unsere absoluten Renner waren aber die Klettergriffbretter. Die waren nach einer Woche ausverkauft.“ Große Rucksäcke für Trekking und Fernreisen wollte dagegen niemand haben.

Alle drei Outdoor-Händler, egal ob Online Pure-Player oder stationärer Händler mit Onlineshop als Ergänzung, blicken optimistisch in die Zukunft. Zwar sei eine steigende Tendenz beim Einkauf über das Netz zu beobachten – im Moment läuft rund ein Drittel über diesen Kanal –, aber jeder Einzelne habe seine Stärken, sein Alleinstellungsmerkmal und damit seinen Kundenstamm. Das sagen die Händler voller Respekt und Wertschätzung vom jeweils anderen. Auch das Engagement in Sachen CO2-Reduzierung, Umwelt und Nachhaltigkeit teilen sie. Wiggershaus bringt es auf den Punkt: „Wir sind mit unseren Produkten so nah an der Natur, da sind diese Themen eine Selbstverständlichkeit, mehr noch: sie sind eine Notwendigkeit.“