Nelly

Nelly

Provokatives Spielfilm-Porträt der Schriftstellerin Nelly Arcan, die sich mit 36 Jahren das Leben genommen hat.

09.06.2016

Von Dorothee Hermann

Nelly

Sie ist eine perfekte Schönheit, die sich den klassischen Perlenketten-Stil der Hitchcock-Blondinen ebenso vollkommen anverwandeln kann wie den legereren Chic der Gegenwart. Für Nelly (herausragend: Mylène Mackay) gehört das zum Job. Sie ist Prostituierte und versteht es, Rollen zu spielen, die andere von ihr erwarten.

Diese verdrehte Art der Bestätigung ist ihr nicht neu: Sie hat von klein auf lernen müssen, sich nach den Vorstellungen zu richten, die andere von ihr haben. Wie sie fließend die Identität(en) wechselt, macht den bestürzend ambivalenten Reiz des Films aus.

Es ist, als treibe einen die kanadische Regisseurin Anne Emond („Les Etres chers“) durch ein verwirrendes, aber unendlich faszinierendes Spiegelkabinett. Erst allmählich zeigt sich die Nachtseite der Show: Wie sehr Nelly unter Zwang agiert, wie alle Bewunderung sie leer zurück und nach fragwürdiger Bestätigung suchen lässt. Der Film orientiert sich an der Biografie der kanadischen Schriftstellerin und Prostituierten Nelly Arcan, die sich 2009 mit 36 Jahren das Leben nahm. Als Bestsellerautorin hatte sie das Sexgeschäft analysiert und Schönheit als Instrument der Unterwerfung beschrieben.

Tragischerweise bleibt ihr der simple Rollenwechsel zur Publizistin versperrt, die Impulse zur Selbstauslöschung sind mächtiger. Über die konkrete Lebensgeschichte hinaus ist der Film auch eine harte Konfrontation mit Mechanismen der Selbstzerstörung - er wäre ein verstörender Anwärter für die Reihe „Film und Psychoanalyse“.

Blendende Schönheit und fragmentierte Persönlichkeit: bestürzendes Psychogramm einer faszinierenden Frau.

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Erstellt:
09.06.2016, 11:13 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 43sec
zuletzt aktualisiert: 09.06.2016, 11:13 Uhr

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