Sommermärchen

Neue Vorwürfe gegen den DFB in der WM-Affäre

Staatsanwaltschaft hält dem Verband mangelnde Kooperationsbereitschaft vor.

19.11.2016

Von SID

Verschlüsselte eine WM-Datei: Stefan Hans. Foto: dpa

Verschlüsselte eine WM-Datei: Stefan Hans. Foto: dpa

Frankfurt. Entgegen aller Versprechen droht dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) das nächste „Erdbeben“ im Skandal um das Sommermärchen 2006. Die Süddeutsche Zeitung berichtete von verschlüsselten Dateien, die brisanten Inhalt offenbaren könnten. Zudem deutete die Staatsanwaltschaft Frankfurt an, dass der DFB längst nicht alles getan habe, um die WM-Affäre aufzuklären. Der Weltmeister-Verband habe seine „ursprüngliche Kooperationsbereitschaft mit den Ermittlungsbehörden ab Anfang 2016 stark eingeschränkt“, sagte ein Behördensprecher. Er widersprach damit der bisherigen Darstellung der DFB-Spitze, immer und umfänglich mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten.

Im Kern geht es um die mutmaßlich vom früheren stellvertretenden DFB-Generalsekretär Stefan Hans erstellte Datei mit dem Namen „Komplex Jack Warner“, abgespeichert am 12. November 2015 im Unterordner „Erdbeben“. Diese wurde den Behörden laut SZ erst am vergangenen Montag zugänglich gemacht. Die Steuerrazzia beim DFB hatte bereits am 3. November 2015 stattgefunden, danach habe rechtlich ein „Beschlagnahmeverbot“ bestanden.

Der inzwischen lebenslang gesperrte Warner spielte in verschiedenen Skandalen beim Weltverband Fifa eine zentrale Rolle. In der WM-Affäre wurde er durch einen von Franz Beckenbauer gezeichneten, höchst dubiosen Vertrag, der kurz vor der Vergabe der WM 2006 geschlossen wurde, zur Schlüsselfigur. Auch dieser Vertrag führte letztlich zum Rücktritt des damaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach am 9. November 2015.

Im vom DFB in Auftrag gegebenen Freshfields-Bericht ist der „Komplex Jack Warner“ aus dem „persönlichen Dateiablageordner von Stefan Hans“ in einer Fußnote erwähnt, die Existenz der Datei war demnach spätestens seit März bekannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Steuerhinterziehung, es geht um die dubiosen 6,7 Millionen Euro, die von den WM-Organisatoren um Beckenbauer wohl falsch deklariert worden waren. „Zunächst waren verschiedene Befragungsprotokolle an die Ermittlungsbehörden herausgegeben worden, ab Anfang 2016 war dies nicht mehr der Fall“, so die Staatsanwaltschaft.

Bezogen auf die Warner-Datei begründete DFB-Vizepräsident Rainer Koch die Zurückhaltung mit der fehlenden Akteneinsicht. „Hätte die Staatsanwaltschaft das gekriegt, wäre es jetzt noch dort“, sagte Koch der SZ, er räumte jedoch ein: „Vielleicht hätte man die Datei im März der Staatsanwaltschaft rüberfahren sollen.“ Hans habe zwar allerlei Passwörter geliefert, die hätten aber nicht gepasst. Der ehemalige DFB-Angestellte war gestern nicht zu erreichen. Experten hätten wegen zu hoher, im sechsstelligen Bereich liegender Kosten von einer Entschlüsselung abgeraten. Warum nicht unmittelbar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, ist offen. Die Behörde kann sich der Hilfe der Polizei- und sonstigen Ermittlungsbehörden bedienen.

„Wir haben getan, was ein gemeinnütziger Verband tun kann. Alle Fragen zur Aufklärung, die wir beantworten können, sind beantwortet“, hatte der neue DFB-Präsident Reinhard Grindel nach seiner Wiederwahl gesagt. Nun seien die staatlichen Ermittler an der Reihe. Deren Arbeit wurde aber offensichtlich vom DFB – ob mutwillig oder nicht – erschwert. sid