Horb · Mittelstandsfrühstück

Neues Leben einhauchen

Bernd Jägers Firma JaKo hat sich auf die Erhaltung von alten Gebäuden spezialisiert. Von seiner Arbeit berichtete er in Horb.

20.09.2019

Von Dagmar Stepper

Bernd Jäger

Bernd Jäger

Das alte Klumpp muss weg! Das war der Tenor in den 70er-Jahren. Gebäude, die die Wirren des den Dreißigjährigen Kriegs und den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs überstanden hatten, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Ehrwürdige Gasthäuser, stattliche Mühlen, erhabene Bürgerhäuser waren nicht mehr gefragt, moderne und funktionale Betonbauten wurden der Trend. Heute nennt man sie Bausünden.

Es gab in den 70er-Jahren aber auch Menschen, für die alte Gebäude kein Klumpp, sondern ein verborgener Schatz war, die baufällige Fassaden nicht abreißen, sondern restaurieren wollten. Erwin Jäger aus Rot an der Rot war so einer. Sein Unternehmen JaKo Baudenkmalpflege wurde als Ein-Mann-Unternehmen im Jahr 1890 gegründet, erst als Zimmerbetrieb, dann als Spezialist für die Erhaltung und Restaurierung von historischen Gebäuden.

Erwin Jäger erhielt den Zuschlag für den die Zusammenarbeit mit dem oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach. Der Visionär stellte sich der Herausforderung, ein komplettes Haus zu translozieren, sprich ein Gebäude abzutragen und an einer neuen Stelle aufzubauen. Erwin Jäger war erfolgreich, es war ein Meilenstein für die Firma.

40 Jahre später steht Erwin Jägers Sohn Bernd im Horber „#projektraum42“ und 35 Menschen hängen an seinen Lippen. Holger Zimmermann hatte Jäger eingeladen, um über seine Arbeit zu sprechen. Das Mittelstandsfrühstück steht unter dem Titel „Von totgeglaubten Innenstädten und Häusern, die auf Reisen gehen“. Bernd Jäger und seine Bruder Martin haben 1999 den Betrieb von ihrem Vater übernommen, ihr Bruder Karlheinz komplettierte 2003 die Unternehmensleitung.

Adler-Areal soll wieder das Herz von Weitingen werden

Bernd Jäger (45) ist in der Gegend kein Unbekannter. JaKo hat Anfang des Jahres das „Adler-Areal“ in Weitingen erworben, eine 3300 Quadratmetern Fläche mit dem ehemaligen Gasthaus Adler, das 1746 erstmals urkundlich erwähnt wurde, samt Brauhaus und Scheune. Was die Firma JaKo konkret mit dem Adler-Areal anstellen will, dazu lässt sich Jäger noch nichts entlocken. „Ich habe Ideen, aber es bringt nichts, wenn ich Ihnen die jetzt sage. Wir müssen das erst entwickeln, auf die Spur bringen“, sagt er. Das könnte auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst wenn der Rohentwurf stehe, sei es Zeit darüber zu diskutieren. Jäger sagt auch: „Die Gebäude geben den Nutzen vor. Man darf nichts überstülpen. Ein Gasthaus muss nicht immer ein Gasthaus sein.“ Auf jeden Fall soll der Adler aber in zwei bis drei Jahren wieder das Herz von Weitingen werden.

Doch die Gäste bekommen am Mittwochvormittag schon eine Ahnung, wie sich das „Adler-Areal“ mal entwickeln könnte. Bernd Jäger führt schöne Projektbeispiele auf. Da ist zum Beispiel das Gasthaus Löwen in Rot an der Rot, dem Ort im Landkreis Biberach, wo auch die Firma beheimatet ist. Der „Löwen“ wurde 1513 gebaut, vier Jahre bevor Luther seine These an die Wittenberger Schlosskirche nagelte. Jäger erzählt, dass der Baum, aus dem ein Balken stammt, 400 Jahre alt war. Der Balken ist heute also fast 1000 Jahre alt. „Das kann kein Klumpp sein, das ist nachhaltige Entwicklung“, meint Jäger. Man spürt die Liebe zu seiner Arbeit. JaKo bietet immer ein Komplettangebot zu einem Festpreis. „Auch wenn wir anfangs oft am Abgrund gestanden sind. Doch wir stehen zu unserem Wort.“ Wenn JaKo 300 000 Euro sagt, bezahlt der Kunde auch 300 000 Euro, auch wenn die Kosten gestiegen sind.

Der „Löwe“ in Rot an der Rot wurde innerhalb von zwei Jahren komplett restauriert. In der ehemaligen Gaststätte sind sieben Wohneinheiten und eine Arztpraxis untergebracht. Très chic alles, man würde am liebsten gleich einziehen. Das hat aber auch seinen Preis. „Wir verwenden Materialien, die zu Gebäude passen“, erläutert Jäger. Plastik und Styropor sind verpönt, die Dielenböden dafür solide. Dafür kann der Quadratmeterpreis dann auch mal bei 200 Euro liegen.

Vier Geschäftsfelder hat der Betrieb, neben der Gesamtrestaurierung, der Restaurierung, Dielenböden (ein Überbleibsel aus dem ehemaligen Zimmereigeschäft) auch die schon erwähnte Translozierung. JaKo hat beispielsweise das „Effringer Schlössle“ versetzt. Das 600 Jahre alte Schlössle von Effringen (Landkreis Calw) wurde Stein für Stein abgebaut, abtransportiert und im Schwarzwälder Freiluftmuseum Vogtsbauernhof wieder aufgebaut. „Spekakulär“, nennt Jäger diesen Teil seiner Arbeit. Er schätzt aber genauso die kleineren Arbeiten. „Jedes Projekt hat seine Herausforderungen.“ Ihm geht es vor allem um die Menschen. „Man muss sich auf sie einlassen, ihnen zuhören“, sagt er.

Er erzählt noch eine Episode aus dem früheren Familienleben mit dem Vater. „Sonntags sind wir früher nie auf Sportplätzen gewesen, sondern immer auf Baustellen rumgefahren.“ Ob er das heute mit seinen Kindern auch so mache, will ein Zuhörer wissen. Jäger lacht. Nein, das mache er nicht. „Aber im Urlaub gehe ich immer ins Freiluftmuseum – auch wenn meiner Frau das nicht immer gefällt.“

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Erstellt:
20.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 25sec
zuletzt aktualisiert: 20.09.2019, 01:00 Uhr

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