Dieser Belgier sieht das Bizarre des Alltags ähnlich scharf wie die Briten.

Neulich in Belgien

Dieser Belgier sieht das Bizarre des Alltags ähnlich scharf wie die Briten.

23.11.2015

Von Dorothee Hermann

Im Café Terminal geht es ein wenig hermdsärmlig zu. Terminal heißt Endstation, und Mattys (unbeirrbar spröde wie ihre zu kross gebratene Blutwurst: Barbara Sarafian) Gesicht ist so grau, als hätte sie schon seit Jahren mit dem Leben abgeschlossen. Wie ferngesteuert bewältigt die 41-Jährige den Großeinkauf im Supermarkt, und dann knallt es auch noch auf dem Parkplatz. Matty kracht in den riesigen gelben Truck des 29-jährigen Johnny (Jurgen Delnaet).

Regisseur Christophe van Rompaey gelingt es in diesem großartig schrägen Debüt, solche bis zum Überdruss vertrauten Alltagskonflikte nie ins Klamottige abstürzen zu lassen. Seine Figuren bleiben authentisch, unbeholfen, sperrig wie die unglamouröse Wirklichkeit ? aber unwiderstehlich komisch.

Johnny, ein Wikingertyp, erholt sich schnell vom ersten Ärger und heftet sich als charmanter Verführer an Mattys Fersen. Dabei sind mehr Emotionen ungefähr das Letzte, was die frisch verlassene Ehefrau braucht. Matty lässt sich nicht einwickeln, von niemandem. Wie sie eisern auf ihrer Illusionslosigkeit beharrt, dürfte ihr erst recht Zuschauersympathien eintragen. So bleibt es ausgerechnet Ex-Rowdy Johnny vorbehalten, hinter der toughen Fassade eine andere Matty zu ahnen.

Kameramann Ruben Impens gelingt das Kunststück, dass die monotonen Beton-Häuserblocks der Arbeitersiedlung nie ins Trostlose abgleiten ? weil Menschen wie Matty dort aus- und eingehen. Von ihren drei Kindern ganz zu schweigen: Die 17-jährige Vera (wunderbar souverän: Anemone Valcke) findet die Affäre der Mutter nicht mal nur peinlich: „Sie hat ja viel nachzuholen.? Die jüngere Tochter Fien ironisiert als Kartenlegerin spielerisch das Schicksalsmotiv.

Und der Regisseur gibt nie den Anspruch auf, im Grau-Grau des Gewöhnlichen das Glück aufblitzen zu lassen. Ob Matty ihm, noch so widerstrebend, darin folgen kann, bleibt bis zuletzt spannend

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