Wirklichkeitsnaher, witziger und künstlerisch ausgereifter Bubenfilm.

Nichts bereuen

Wirklichkeitsnaher, witziger und künstlerisch ausgereifter Bubenfilm.

24.11.2015

Von che

Nichts bereuen

Daniel ist 19, frischgebackener Abiturient und hat, wie er uns gleich mal verrät, "noch nie mit einem Mädchen geschlafen und auch noch keines geleckt". So beginnt nicht etwa "American Pie 3", sondern ein fulminanter deutscher Debütfilm, der mit pseudocoolen amerikanischen Teen-Klamotten so viel zu tun hat wie Wuppertal (der Schauplatz von "Nichts bereuen") mit Hollywood.

Benjamin Quabeck, der Regisseur dieser Abschlussarbeit an der Ludwigsburger Filmakademie, ist 25 und erinnert sich offenbar noch sehr genau an das Lebensgefühl kurz nach dem Abi. An die Euphorie und die Gedanken ans Mädchenflachlegen ebenso wie an die Angst vor dem drohenden Ernst des Lebens. Die knisternde Spannung zwischen diesen Polen reizt der Film bis zum Anschlag aus.

Daniel (Daniel Brühl) ist erstens von dem Gedanken beseelt, nach vielen Jahren erfolglosen Schmachtens seine große Liebe (Jessica Schwarz) zu erobern. Zweitens muss er jetzt raus aus seiner kleinen heilen Schüler-Welt. Im Zivildienst lernt er ein anderes Leben kennen, muss die alte Frau Grieger aus ihrer Scheiße holen und den herzkranken Opa Bröcking heimlich mit Alkohol versorgen. Der ungeschönte Blick auf das karge Zivildienst-Dasein gibt dem Film eine Bodenhaftung, die die gängigen Buben-Rituale, das Kampftrinken und Rumkiffen, den emotionalen Überschwang und die pubertäre Sex-Besessenheit erst glaubwürdig macht.

Der zweite Trumpf des Films ist sein Stil. Quabeck zieht zunächst alle Register der Dogma-Schule, wedelt mit Videoclip- und Werbefilm-Sprengseln, setzt auf zappelige Handkamera, Zeitlupen und Stakkato-Schnitte. Eine eitle Eskapaden-Show ist das aber keineswegs - vielmehr der plausible Versuch, die Verwirrung und Verunsicherung seines Protagonisten ästhetisch zu untermauern. Später, wenn Daniel sich seiner inneren Mitte und seinem Platz im Leben nähert, verlangsamt Quabeck den Rhythmus beträchtlich, konzentriert sich stärker auf Gesichter und Gesten, gönnt uns vielsagende Seitenblicke auf diese aufregend triste Stadt Wuppertal.

Benjamin Quabeck gehört zusammen mit Vanessa Jopp ("Engel & Joe"), Hannes Stöhr ("Berlin is in Germany"), Stefan Jäger ("birthday") und anderen zu jenen Nachwuchsregisseuren, die, ohne sich am Unterhaltungskino zu versündigen, sozialen Realismus mit diebischer Experimentierfreude paaren. Vielleicht wächst da ein neuer Junger Deutscher Film heran. Auf alle Fälle wird uns diese Garde noch einige angenehme Kino-Stunden bescheren.