Allergie

Nun im Winter - eine Hyposensibilisierung gegen Heuschnupfen?

Derzeit können Heuschnupfen-Geplagte durchatmen, noch fliegen kaum Pollen. Wer jedoch die Ursache bekämpfen will, muss sich auf eine langfristige Therapie einlassen.

28.01.2023

Von dpa

Fehlgesteuert: Bei einer allergischen Reaktion sieht das Immunsystem eine Gefahr, wo keine ist. Die Hyposensibilisierung ist bisher die einzige Behandlungsmethode, die an der Ursache ansetzen kann.  Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Fehlgesteuert: Bei einer allergischen Reaktion sieht das Immunsystem eine Gefahr, wo keine ist. Die Hyposensibilisierung ist bisher die einzige Behandlungsmethode, die an der Ursache ansetzen kann. Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn

Husten, laufende Nase, tränende Augen, Juckreiz, Abgeschlagenheit, Atemprobleme: Pollenallergien machen Betroffenen ganz schön zu schaffen. Zwar gibt es dagegen spezielle Medikamente. Doch an der Ursache des Heuschnupfens setzt nur eine Allergen-Immuntherapie an, auch Hyposensibilisierung genannt.

Um das Wirkprinzip zu verstehen, muss man zunächst wissen, wie es zu allergischen Reaktionen in unserem Körper kommt. „Bei Allergiepatienten ist es so, dass das Immunsystem fehlgesteuert ist. Es richtet sich also gegen eigentlich harmlose Umweltbestandteile wie Pollen von Bäumen oder Gräsern oder Hausstaubmilbenkot“, sagt der Allergologe Prof. Oliver Pfaar. Er ist Oberarzt und Leiter der Sektion Rhinologie und Allergologie am Universitätsklinikum Marburg.

Das Immunsystem sieht also eine Gefahr, wo keine ist. „Das führt bei Heuschnupfen-Patienten dazu, dass sie niesen, dass die Nase läuft und Husten auftritt. Denn der Körper will sich ja schützen vor diesem vermeintlichen Krankheitserreger“, erklärt Pfaar. Durch eine gezielte Therapie kann das Immunsystem umerzogen werden. „Die Hyposensibilisierung ist bisher die einzige Behandlungsmethode, die an der Ursache ansetzen kann“, sagt Anja Schwalfenberg. Sie ist Diplom-Biologin und im Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) in der Patientenberatung tätig. „Die Therapie ist besonders bei lang anhaltenden Beschwerden gefragt“, sagt sie. Der Patient bekommt regelmäßig Präparate, wodurch sich das Immunsystem an den Auslöser der Allergie gewöhnen soll. Die Medikamente werden klassischerweise mit einer Spritze verabreicht. In der Medizin ist dann von einer subkutanen Therapie die Rede. „Dabei wird die Erhaltungsdosis etwa alle vier Wochen verabreicht und unter die Haut am Oberarm gespritzt. Das geschieht in der ärztlichen Praxis, gefolgt von einer Beobachtungszeit von mindestens 30 Minuten“, sagt Anja Schwalfenberg.

Es gibt außerdem den sogenannten sublingualen Ansatz: Dabei wird das Allergen in Form von Tabletten oder Tropfen vom Patienten selbst unter die Zunge gesetzt, und zwar täglich. „Bei dem einen muss man alle vier- bis sechs Wochen zum Arzt gehen, das andere muss der Patient regelmäßig selbst machen und daran denken. Da ist dann keiner, der das kontrollieren kann“, sagt Oliver Pfaar.

Für eine erfolgreiche Therapie ist entscheidend, dass die Patienten dranbleiben. „Nur wenn die Therapie regelmäßig vorgenommen und nicht vorzeitig abgebrochen wird, kann ein guter Erfolg eintreten“, bestätigt Anja Schwalfenberg. Ohne Geduld gehe es nicht: „Normalerweise wird eine Hyposensibilisierung über drei Jahre vorgenommen.“

Dass diese Dauer erforderlich ist, sei auch mit Studienergebnissen gut belegt, ergänzt Pfaar. Seiner Beobachtung nach profitieren Patienten aber schon im ersten Jahr von der Behandlung: „Sie fühlen sich teilweise sogar deutlich besser, als wenn sie im ersten Jahr nur Medikamente einnehmen würden, was sie natürlich weiterhin dürfen.“ Damit bezieht sich Pfaar auf Allergiemedikamente. „Spray und Tabletten wirken nur gegen die momentanen Symptome, können aber nicht gegen die zugrundeliegende immunologisch getriggerte Erkrankung vorgehen.“ Weil sich die Beschwerden schon im ersten Behandlungsjahr bessern, brauchen Betroffene jedoch oft weniger Medikamente.

Nebenwirkungen der Hyposensibilisierung sind unwahrscheinlich. „In der Regel und in den Händen erfahrener Kollegen ist die Allergen-Immuntherapie sehr sicher. Das gilt sowohl für den subkutanen als auch für den sublingualen Weg“, sagt Oliver Pfaar. Zwar stellen sich oft leichte lokale Reaktionen wie Schwellungen rund um die Einstichstelle oder ein Juckreiz der Mundschleimhaut ein. Diese Symptome treten aber in aller Regel nur kurzzeitig auf.

Die pollenarme Zeit im Herbst und Winter eignet sich gut, um mit der Immuntherapie zu beginnen. „Bei den Ganzjahresallergenen, also bei bestehender Allergie beispielsweise auf Hausstaubmilben oder Schimmelpilzsporen, gibt es nicht unbedingt eine Vorgabe, wann man beginnen sollte“, sagt Oliver Pfaar. Die Entscheidung über den Start trifft am Ende der Allergologe: Er nimmt eine Diagnostik vor und kann auf deren Grundlage nicht nur beurteilen, wie stark Betroffene von der Allergen-Immuntherapie profitieren können, sondern auch darüber befinden, welche Therapieform die beste ist. „Und das am besten so früh wie möglich“, sagt Schwalfenberg. Aber auch im späteren Verlauf einer Allergie könne mit einer Hyposensibilisierung eine Linderung der Symptome erreicht werden.

„In Deutschland wird diese Therapie von den Krankenkassen übernommen. Das ist auf europäischer Ebene in anderen Ländern teilweise anders“, sagt Oliver Pfaar. Natürlich handle es sich dabei um eine immense Investition in Patienten, sagt Anja Schwalfenberg. „Daher ist die Therapietreue sehr wichtig, damit sich der Kostenaufwand auch lohnt und die Therapie erfolgreich sein kann.“ Pauline Jürgens

Rat von Fachärzten

Ob eine Allergen-Immuntherapie für einen Patienten in Frage kommt, kann am besten ein Mediziner einschätzen. „Ärzte sollen entweder über die Zusatzweiterbildung Allergologie oder über ausreichende Erfahrungen mit dieser Therapie verfügen“, sagt die Diplom-Biologin Anja Schwalfenberg.

Bei spezifischen Beschwerden helfe es, sich an Fachärzte zu wenden: „Bei einem Heuschnupfen können HNO-Ärzte, bei einem bestehenden allergischen Asthma Lungenfachärzte weiterhelfen“, sagt Schwalfenberg. Auch Allgemeinmediziner, Hautärzte oder Kinderärzte haben bisweilen einschlägige Kenntnisse. dpa

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Erstellt:
28.01.2023, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 28.01.2023, 06:00 Uhr

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