Saniertes Rathaus wiedereröffnet

OB Boris Palmer zeigt den Tübingern seinen Arbeitsplatz

Nach der Renovierung des historischen Rathauses ist Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) vor kurzem wieder in sein Büro zurückgekehrt.

28.11.2015

Von dpa/lsw

Zur offiziellen Wiedereröffnung am Samstag führte das Stadtoberhaupt einige Bürger sogar höchstpersönlich durch das historische Gebäude. Zu sehen gab es etwa Palmers Büro, den Ratssaal, den Gewölbekeller und den Hofgerichtssaal.

Als Fotomotiv ist das Tübinger Rathaus bei Touristen der absolute Renner. Im Sommer 2012 musste Palmer seine Sachen packen und das mehr als 500 Jahre alte Gebäude wegen Sanierungsarbeiten verlassen. Seither arbeitete die Stadtspitze - ganz ungewohnt - in einem modernen Tübinger Hochhaus.

Das Rathaus musste saniert werden, weil bauliche Mängel am Tragwerk schon erste Schäden am Gebäude verursacht hatten. Nach der Fertigstellung im Innern sollen nun im kommenden Jahr noch der Eingangsbereich und die Rathausfassade saniert werden. Die Kosten der Sanierung belaufen sich laut Stadtverwaltung auf rund elf Millionen Euro.

Statik, Denkmalschutz und CO2

Mit einer Feierstunde für Planer, Architekten und Handwerker sowie kostenlosen Besichtigungen hat die Stadt am Samstag die Wiedereröffnung gefeiert. Mehr als 5000 Gäste nutzten die Gelegenheit zu einem Streifzug durch das modernisierte Gebäude aus dem Jahr 1435.

„Nach drei Jahren Bauzeit füllt sich das Rathaus endlich wieder mit Leben. Mein Dank gilt allen Mitarbeitenden und Kooperationspartnern, welche die Sanierung dieses Schmuckstücks der Tübinger Altstadt auch in schwierigen Momenten begleitet haben“, sagt OB Palmer. Die Sanierung orientierte sich an historischen Originalzuständen und musste Denkmalschutz, Brandschutz und Klimaschutz unter einen Hut bringen – keine leichte Aufgabe, zumal das fast 500 Jahre alte Haus einige Überraschungen bereithielt.

Frühere Renovierungsarbeiten hatten konstruktive Schäden in der Statik des Tübinger Rathauses verursacht. Eine böse Überraschung erlebten die Bauleute, als sie die Holzverkleidung einer mittelalterlichen Säule im Erdgeschoss entfernten: Eine 50 Jahre alte Stahlstütze hatte das darunter liegende mittelalterliche Fundament gespalten. Zudem hatte sich der gescheckte Nagekäfer durch die bauzeitliche Eichenstütze gefressen, sodass sie die Last nicht mehr lange hätte tragen können. Für die Sanierung musste das Haus in diesem Bereich angehoben und wieder abgesenkt werden.

Der Tübinger OB Boris Palmer (M) führt Besucher durch das sanierte Rathaus. Foto: Daniel Maurer

Der Tübinger OB Boris Palmer (M) führt Besucher durch das sanierte Rathaus. Foto: Daniel Maurer

Vor der Sanierung empfing ein enger dunkler Flur die Gäste, jetzt ist durch den Abriss der Trennwände ein lichtdurchflutetes Foyer entstanden. Ähnlich wie vor 500 Jahren öffnet sich das Erdgeschoss zum Marktplatz hin. Auch in den übrigen Stockwerken sorgen neue Fenster mit klaren Scheiben für mehr Transparenz. Im Treppenhaus wurde die überdimensionale Strukturverglasung durch gegliederte Fenster ersetzt. In vielen Räumen schmückt jetzt lokaler Naturstein den Boden, außerdem hat das Rathaus einen barrierefreien Zugang bekommen.

Mit der Sanierung wird der CO2-Ausstoß halbiert. Dafür sorgt unter anderem ein hocheffizientes Blockheizkraftwerk im Keller, das auch umliegende Gebäude mit Wärme versorgen kann. Auch die gesamte Haustechnik wurde erneuert, der größte Kostenblock der Sanierung, doch die Energiekosten werden künftig kräftig sinken. Die neuen Fenster haben bessere Dämmeigenschaften, dazu kommen energiesparendes LED-Beleuchtungskonzept und neue Lüftungsanlage.

Wiederentdeckt: Der Hofgerichtssaal

Wo sich heute einer der schönsten historischen Räume des Rathauses befindet, gab es vor der Sanierung fünf Büros und einen Vorraum. Erbaut wurde der so genannte Hofgerichtssaal um 1496. Ein zweigeschossiges Hängewerk ersetzt jetzt die Stahlträger, die mitten im Raum standen, um die Decke zu stützen. Die neue Wandbemalung ist die Rekonstruktion einer Fassung aus den 1920er-Jahren, die beim Abriss der Bürowände gefunden worden ist.

Im Dachgeschoss befand sich vor der Sanierung das Stadtarchiv. Akten, Bücher und historisches Schriftgut waren viel zu schwer für das Gebäude. Statiker hatten ausgerechnet, dass die Decken darunter für 150 Kilonewton pro Quadratmeter ausgelegt waren, tatsächlich jedoch mit 600 Kilonewton pro Quadratmeter belastet waren. Auch das war ein triftiger Grund, nicht länger mit der Sanierung zu warten. Erste Schäden waren bereits an der Fassade sichtbar. Im Frühjahr 2016 wird dort die historische Bemalung restauriert.

Herzstück des Rathauses und Zentrum der kommunalen Demokratie ist aber der große Saal im ersten Stock, in dem der Gemeinderat tagt. Eine dunkle Decke, schwere Möbel, mangelhafte Isolierung und fehlende Kommunikationstechnik hatten die Debatten erschwert. Im Zuge der Sanierung wurden Fußboden und Decke erneuert. Weiße, leichte Tische im Halbrund sorgen heute für einen reizvollen Kontrast zu den schweren Eichenstützen und erleichtern die Kommunikation. WLAN und moderne Projektionstechnik sowie eine gute Ausleuchtung gehören ebenfalls zur neuen Ausstattung.

Wer ist wo?

Nach der Sanierung wurde das historische Rathaus am Marktplatz schnell wieder mit Leben gefüllt. OB Palmer und die Erste Bürgermeisterin Christine Arbogast sind mit ihren Sekretariaten eingezogen. Auch die Stabsstellen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie für Umwelt- und Klimaschutz und der Fachbereich Kommunales sind aus dem Interimsquartier im Blauen Turm ins Rathaus zurückgekehrt, ebenso die Personalvertretung.

Die Stadtverwaltung hat ein Faltblatt herausgegeben, in dem die Adressen sämtlicher Dienststellen und die wichtigsten Telefonnummern aufgelistet sind. Ein Stadtplan-Ausschnitt im Faltblatt gibt einen schnellen Überblick darüber, welche Dienststelle wo zu finden ist. Das Faltblatt „Wen finde ich wo?“ wird regelmäßig aktualisiert – denn für den Umbau des Technischen Rathauses in der Brunnenstraße, der 2016 beginnt, müssen in den kommenden Wochen und Monaten verschiedene Dienststellen umziehen. Das Faltblatt liegt im Rathaus am Marktplatz aus und kann auf der städtischen Internetseite unter www.tuebingen.de/buergerservice heruntergeladen werden.