Horb · Rathaussturm

OB vorübergehend entmachtet

Stadtoberhäupter und Horber Narren inszenierten gestern Abend vor dem Rathaus eine pointiert choreografierte Schlüsselübergabe.

21.02.2020

Von Manuel Fuchs

Es gehört schon theatralische Kunstfertigkeit dazu, das Ritual der Machtübernahme vor dem Horber Rathaus jährlich neu zu erdenken und immer wieder neue Verse dafür zu verfassen. Auch in diesem Jahr haben sich die Horber Narrenzunft, allen voran Hofmarschall Daniel Wagner und Zunftmeister Alexander Guth, das Grafenpaar Sina David und Nico Berger sowie Oberbürgermeister Peter Rosenberger nicht lumpen lassen: Gestern Abend vollzogen sie mit aktuellen und frisch vorgetragenen Reden die Machtübernahme durch die Horber Narren.

Als um kurz nach halb sieben der Horber Marsch aus den Instrumenten der Stadtkapelle verklungen war, begrüßte Hofmarschall Wagner die Narren und Gäste auf dem Horber Marktplatz. Sie waren gekommen, um den Kampf um den Rathausschlüssel zu verfolgen: Würde es Gezerre geben, würden die Narren den Schlüssel stehlen – oder würde er gar unauffindbar bleiben? Horb hat schon viel erlebt.

Eröffnungssprecher Wagner begab sich in seiner närrischen Rede auf einen Parforceritt durch die regionale, nationale sowie die internationale Politik und machte mit dem Reim von „AKK“ (also Annegret Kramp-Karrenbauer) auf „LMAA“ (hier verbietet sich eine Erläuterung) klar, dass all dies in den kommenden Tagen keine Rolle mehr spielen soll.

Das Grafenpaar zeigte sich ungeduldig, weil der OB die Narren in der Horber Abendkälte warten ließ, aber auch zuversichtlich: „Wir sind auf Zack und stets parat; mit Links regieret mir den Verwaltungsapparat!“

Wie aufs Stichwort schritt der OB im Fasnets-Ornat ums Eck – allerdings ohne Schlüssel. Er zierte sich skriptgemäß ein wenig, präsentierte dann in Verse gepresste Lokalpolitik und ließ dabei auch Kritik an den Horbern hören: Mit „Die Hochbrücke ist im Bau, der Traum ist wahr – Einschränkungen durch den Bau waren wohl nicht jedem klar“ spielte er auf das in der Stadt verbreitete Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ an.

Auch dass er bis kurz vorm Rathaussturm einer Sitzung zur Landespolitik in Freudenstadt beiwohnen musste, missfiel Rosenberger hörbar: „Verkehrsminister Hermann hat es frühzeitig gewusst. So reduziert man das Verständnis ganz bewusst.“

Der OB hatte daher keine Bedenken, die Macht in Horb vorübergehend an die Narren abzutreten: „Bei all diesem Ärger, ich sag es euch gern: Den Schlüssel behalten, das liegt mir fern!“ Allerdings musste zunächst sein Stellvertreter Ralph Zimmermann, der vorgeblich den Schlüssel seit Wochen sogar im Schlaf bewacht, mit einem Extra-Schluck Branntwein aus der Reserve gelockt werden.

Das Grafenpaar frohlockte ob dieses Schlachterfolgs und schloss mit dem traditionellen Wunsch nach einer glückseligen Fasnet sowie dem Horber Ruf „Narri, Narro und Horrido“.

Hofmarschall Wagner oblag es wiederum, die Narrenherrschaft offiziell zu proklamieren. Im Namen der Narrenzunft und des Grafenpaars ordnete er – ungereimt – an, „dass alle Bürgerinnen und Bürger ihre Häuser innen und außen närrisch zu schmücken haben. Alte Sockenhalter, Büstenhalter, feurige Unterwäsche oder freudenspendende Korsetts aus dem frühen Mittelalter können zur besseren Erbauung beitragen.“ Außerdem seien als Grußformeln bis zur Fasnetverbrennung am Dienstag nur „Narri-Narro“ und „Horrido“ erlaubt.

Zunftmeister Alexander Guth übernahm die dankbare Aufgabe, die Narren mit guten Wünschen und eindeutigen Aufträgen in die Nacht zum „Spass uff d’r Gass“ zu entlassen: „Seid gut gelaunt und macht nicht schlapp bei eurem Treiben durch die Stadt.“ Der Narrenrat stand ebenfalls in den Startlöchern, und der Zunftmeister selbst war „schon ganz heiß, mit diesen Mannen den Lauf der Nacht nun anzufangen. Wir seh’n uns später irgendwo!“ – und schloss mit dem obligatorischen „Narri-Narro“ und „Horrido“.

Seiner Rede fügte er prosaisch und ernst ein Wort zur politischen Lage an: Die Narrenzunft Horb und die Stadtverwaltung distanzieren sich ganz klar von Rechtsextremismus. Dieser sei schon mit dem Motto der Fasnet – „Jedem zur Freud, niemand zu Leid“ – nicht zu vereinbaren. Dieses seriöse Intermezzo leitete zum Ende der Inszenierung über, das die Stadtkapelle erneut mit dem Horber Marsch und die Hexen mit einem Tanz trefflich abrundeten.

Im Hintergrund am Mikrofon Hofmarschall Daniel Wagner, vorn das Grafenpaar mit dem Schlüssel, rechts Oberbürgermeister Peter Rosenberger, vorne darniederkniend Bürgermeister Ralph Zimmermann. Bild: Karl-Heinz Kuball

Im Hintergrund am Mikrofon Hofmarschall Daniel Wagner, vorn das Grafenpaar mit dem Schlüssel, rechts Oberbürgermeister Peter Rosenberger, vorne darniederkniend Bürgermeister Ralph Zimmermann. Bild: Karl-Heinz Kuball