Lokführers Odyssee durch Oslo: Melancholisches Wintermärchen vom norwegischen Kaurismäki.

O'Horten

Lokführers Odyssee durch Oslo: Melancholisches Wintermärchen vom norwegischen Kaurismäki.

23.11.2015

Von che

O'Horten

40 Jahre lang hat Odd Horten seinen Beruf als Lokomotivführer aufs Zuverlässigste erledigt. Doch ausgerechnet am Tag seiner Pensionierung verpasst er durch eine Verkettung unglücklicher Umstände den Zug. So wird dem Inbegriff des akkuraten Bahnbeamten immerhin schlagartig klar, dass er nunmehr ohne Job und Familie auf dem Abstellgleis steht. Odd bewältigt den Schock mit einem Spaziergang durchs winternächtliche Oslo, der prompt zum größten Abenteuer seines bis dato eingefahrenen Lebens gedeiht.

Schon in seinen früheren Filmen „Eggs? und den auch in Deutschland erfolgreichen Kitchen Stories zeichnete Regisseur Bent Hamer schön skurrile Karikaturen des norwegischen Menschenschlags, die zugleich universell gültige Studien über die Einsamkeit waren. Mit Hilfe des Theater- und Filmveteranen Bård Owe, bekannt aus Lars von Triers Fernsehserie „Geister?, fügt er diesen nun ein weiteres, besonders edles Exemplar hinzu. Odd Horten ist wortkarg, bedächtig, qualmt ewig Pfeife und haust in einer Wohnung, in der seit den sechziger Jahren allenfalls der Wellensittich erneuert wurde. Gleichwohl schimmert durch seine zerfurchten Gesichtszüge ein Rest von juveniler Neugier. Die ist auch bitter nötig, um ohne sein bisheriges Lebenselixier den Alltag zu meistern.

Mit melancholisch stimmungsvollen Bildern von verschneiten Landschaften und einer kältestarren Stadt erzählt Hamer im Stil eines Winternachtstraums vom Aufbruch seines gebrochenen Helden. Auf seiner planlosen Odyssee gerät Odd in eine Reihe mal komischer, mal trauriger, mal surrealer Situationen, in denen sich seine unerfüllten Träume und verdrängten Sehnsüchte spiegeln ? und die ihm zugleich die Augen öffnen für eine Existenz jenseits der uniformierten Berufsroutine. Paradoxerweise ist es mehrmals die Begegnung mit dem Tod, die ihm den Weg ins Leben weist: am Ende gar auf eine Skiflugschanze. Zum handelsüblichen Emanzipationspathos hält „O'Horton? dennoch gehörigen Abstand. Für derlei Gefühlseskapaden ist es in diesem Norwegen wohl einfach zu kalt und zu dunkel.