Horb · Ritterspiele

Ohne Agentur geht auch

Laut Stadtverwaltung zogen am Wochenende etwa 30000 Besucher durch Horb. Die Veranstaltung rückte vor allem Familien ins Zentrum.

17.06.2019

Von Benjamin Breitmaier

Da fläzen die Rittersleut. Schattig ist es, über dem Feuer gurgelt Gulasch. Für Hemden ist es an diesem Samstagmittag manchen zu heiß – wie Bernd Blaszies, einem der letzten Vorstände des Horber Rittervereins, der sich vor zwei Jahren aufgelöst hatte. Mit ihnen fing 1997 alles an.

Keinen Umzug haben sie ausgelassen, endlose Stunden an Ehrenamtsarbeit steckten sie in das Projekt Ritterspiele. An der Tafel im Ritterlager neben der Horber Turnierwiese sitzen zehn Leute. „Jetzt können wir einfach nur noch genießen“, meint Blaszies. Sie sind irgendwie angekommen, Worte wie „gechillt“ und „relaxed“ fallen.

Die Ritter sind zufrieden damit, was die Stadt aus den Ritterspielen gemacht hat. Die Eventagentur MPS vermisst hier niemand. Sie freuen sich, dass sie nach zwei Jahren wieder auf ihrer Wiese hier lagern können. „Claudia Beuter hat uns gefragt, darüber haben wir uns sehr gefreut“, meint Blaszies.

„Ich habe schon von einigen Standbetreibern mitbekommen, dass die Orga wirklich entspannt und freundlich über die Bühne geht“, sagt Marius Friedrichson, der als Marktvogt dabei ist. Die ersten Ritterspiele in Eigenproduktion der Stadtverwaltung Horb, ohne Verein, ohne Agentur, sie scheinen zu glücken.

Das Turnier

Davon zeugen auch die restlos vollen Tribünen am Turnierplatz mit insgesamt 1200 Plätzen, wo einige Stunden zuvor Horst Bulheller und seine Truppe der EHS-Showcrew mit ihren Pferden über den Sand jagden. Dort auf dem Sand nennt sich Bulheller Agiton, ein schwarzer Ritter, der für seine dunkle Fürstin eine Burg erobern muss. Deren Machthaber hat erst kürzlich das Zeitliche gesegnet. Die Fürstin denkt, von der neuen Königin könne sie entspannt eine magische Schriftrolle klauen, was sich jedoch als recht anspruchsvoll erweist. Da die neue Königin ziemlich pazifistisch unterwegs ist, einigen sich die Parteien ihre besten Krieger gegeneinander in ein Turnier zu schicken. Am Ende bleibt die Burg heil, da sich Agiton auch einen „Whirlpool im Südflügel“ bauen will.

Neben den beeindruckenden Galopp-Ritten mit Speerwurf, Tjost und Bogenschießen sticht „Agiton“ Bulhellers Comedy-Talent hervor. Er versteht es, sich und seine Chefin ordentlich auf die Schippe zu nehmen und provoziert regelmäßig einen beeindruckenden Geräuschpegel durch Buhrufe von den Rängen.

Die Zuschauer sind nämlich eher Fans eines Ritters: Lammerack. Seinen Namen skandieren sie im Chor, wenn er an der Tribüne vorbei reitet. Der muss – nachdem Agiton gezeigt hatte, dass man sogar von einem Schlachtwagen mit der Lanze auf seinen Gegner einstechen kann – im finalen Kampf gegen den Leibwächter der dunklen Fürstin antreten. Am Ende
gewinnen ohne Überraschung
die Guten. Davor gibt es ordentliche Mittelalter-Unterhaltung mit feurigen Kämpfen, flammenden Schwertern und eine Kaskade an Agiton-Witzen. Das junge Publikum brüllt.

Kinder im Mittelpunkt

Die Ritterspiele 2019 sind vor allem familienfreundlich. Dieses Thema kam in den vergangenen Jahren zu kurz, meint Martin Scherer. „Wir freuen uns daher, dass wir die Kinderritterspiele wieder aufwerten konnten“, erklärt der Chef des Horber Stadtmarketings. Kinderrallye mit Töpfern, Bogenschießen und dem wahrscheinlich kleinsten Riesenrad der Welt – an Angeboten fehlt es nicht. Lukas und Marek, die Betreiber des Rads, sind dafür eigens aus Tschechien angerückt und schieben hier in Horb 18-Stunden-Schichten. „It’s very funny for the kids“, sagt Lukas, während er mit einer Hand das Rad in Schwung hält.

Einige Meter weiter tobt das Leben auf dem Spielplatz und am Alten Freibad. Hunderte Kinder schieben sich durch die Rallyestationen. Vor dem Porto Neckar gibt es am Samstagmittag auch einen der wenigen Schockmomente der Spiele: 230 Zentimeter Spannweite hat der Weißkopfseeadler, Star der Greifvogel-Schau, die seit einigen Jahren Teil der Ritterspiele ist. Doch heute scheint das Tier keine Lust auf Arbeit zu haben. Der riesige Vogel setzt zweimal zur Landung an, dreht ab, schwingt sich majestätisch über den Neckar und macht dann erstmal Pause – irgendwo. 40 Minuten lang sucht seine Falknerin nach ihm, während auf Instagram bereits die ersten Bilder das Tier auf der Ampelanlage vor den Activ-Arkaden zeigen. Irgendwann hatte der Adler aber wohl genug der Horber Verkehrsführung und kehrt zurück .

Unwetter war kein Problem

Ruhiger geht es in der Neckarstraße zu. Die Verkaufsstände liegen außerhalb der Bezahlzone. Zu Greensleves, das der Harfenspieler Arno von der Biegenburg als Klangteppich zwischen die Stände legt, ist hier das Einkaufserlebnis zwischen Leder und Schmuck einiges entspannter.

Aus der Schweiz sind Colin Mäder und fünf seiner Freunde angerückt. Die Crew ist Wiederholungstäter. Viermal waren sie bereits in Horb und verbinden die Spiele mit einem Mini-Urlaub auf dem Horber Campingplatz, wo sie nach eigener Aussage nicht die einzigen sind, die dort gewandet wandeln. Dass die Spiele dieses Jahr etwas kleiner scheinen, macht ihnen nichts aus. Für die Metal-Fans sei zwar musikalisch nur wenig im Programm, doch dafür sind die Spiele für Schweizer Verhältnisse „super-günstig“. Dass die Veranstaltung nicht ganz auf Rock’n’Roll verzichten muss, dafür sorgt die Band Metusa, die am Samstagabend als Headliner die Bühne auf der Inselspitze abschließt. Der einsetzende Regen dünnt die Reihen zwar aus, doch wirklich etwas anhaben können die Schauer der Veranstaltung in der Nacht nicht. Sogar das Nachtturnier mit seiner spektakulären Feuershow wirkt auch in strömendem Regen.

So scheint das gesamte Orgateam der Spiele beim Pressegespräch am Sonntagabend durchgehend zufrieden zu sein, mit der „Operation am offenen Herzen“, die laut Bürgermeister Ralph Zimmermann hier bewältigt wurde. Mehr als 30 000 Besucher sollen es gewesen sein, genaue Zahlen wird es in den kommenden Tagen geben. Eines ließe sich aber schon sagen: „Es wird wahrscheinlich auf eine schwarze Null hinaus laufen“, erklärt Zimmermann. Das Team der Stadt sieht sich in der Entscheidung bestätigt, die Spiele in Eigenregie umzusetzen. Kostentechnisch sei man im grünen Bereich, ergänzt Stadtmarketingchef Scherer. So dürfte der kommenden Ausgabe von Horbs wichtigster Veranstaltung nur wenig entgegenstehen.

Adler auf Abwegen: Nach diesem Vogel wurde am Samstagmittag ganze 40 Minuten gesucht.

Adler auf Abwegen: Nach diesem Vogel wurde am Samstagmittag ganze 40 Minuten gesucht.

Ritter der ersten Stunde wie Bernd Blazies (Mitte): Sie konnten fernab von Orgastress die Spiele einfach nur genießen.Bilder: Karl-Heinz Kuball

Ritter der ersten Stunde wie Bernd Blazies (Mitte): Sie konnten fernab von Orgastress die Spiele einfach nur genießen.Bilder: Karl-Heinz Kuball

Lukas, Marek und ihr Riesenrad

Lukas, Marek und ihr Riesenrad