Ohne Betroffene

Zum Bericht „Bildung als Mittel gegen Armut“ (3. Dezember) über eine Podiumsdiskussion in Tübingen mit dem grünen Landessozialminister Manfred Lucha und Daniel Lede Abal von den Grünen.

14.12.2016

Von Wolfgang Schäfer

Wieder einmal findet eine Podiumsdiskussion unter Ausschluss der Betroffenen statt. Alle auf dem Podium Sitzenden können die Frage: „Sind wir arm?“ mit nein beantworten. Der gezogene Schluss des Grünen Sozialministers, dass das wichtigste Gegenmittel gegen Armut die Bildung sei, ist falsch! Diesen neoliberalen Spruch benutzt er nur, um die Schuld der Grünen an der Armutszunahme um 30 Prozent auf die Betroffenen abzuwälzen. Sie hätten halt was lernen sollen. Dabei waren es die Grünen, die zusammen mit den Asozialdemokraten die Agenda 2010 zu verantworten haben. Das Armutsprogramm überhaupt. Ein riesiger Niedriglohnmarkt ist entstanden. Das Arbeitslosengeld II ist auf einen viel zu niedrigen Satz berechnet worden.

Die gleiche Koalition hat die Renten und die Erwerbsminderungsrenten so weit gesenkt, dass immer mehr Rentner in Armut leben müssen, und Erwerbsgeminderte müssen in Hartz IV, weil die Rente zum Leben nicht reicht. Zehn Prozent aller Akademiker arbeiten für durchschnittlich 9.30 Euro. Alleinerziehende sind auch nicht ungebildet. Nicht die fehlende Bildung ist Auslöser für Armut, sondern zu geringes Arbeitslosengeld II (Hartz-IV-Satz). Und dies können die Grünen im Bundesrat ändern, in dem sie Hartz IV auf einen vom Wohlfahrtsverband genannten Satz anheben lassen. Als Mitglied der Regierungspartei in Baden-Württemberg sind beide Grünen in der Verantwortung. Handeln statt Quasseln würde beiden besser anstehen. Tut endlich etwas gegen Armut und redet nicht nur darüber!