Kreis Tübingen

Kino: Oscar-Winner in der Warteschleife

Die Filmbranche peilt den 1. Juli als bundesweiten Öffnungstag für die Kinos an. Nicht alle Lichtspielhäuser in und um Tübingen sind glücklich mit dem Termin. Vorreiter ist das Cinelatino im Kino Museum.

30.05.2021

Von Dorothee Hermann

Im Juni 2020 war Kinokater Jackie der erste und nahezu einzige Gast nach der Wiedereröffnung der Mössinger Lichtspiele. Bald darauf herrschte wieder Katerstimmung in allen Kinos im Landkreis Tübingen, sie mussten erneut schließen. Schon bald öffnen sie wieder. Bild: Erich Sommer

Im Juni 2020 war Kinokater Jackie der erste und nahezu einzige Gast nach der Wiedereröffnung der Mössinger Lichtspiele. Bald darauf herrschte wieder Katerstimmung in allen Kinos im Landkreis Tübingen, sie mussten erneut schließen. Schon bald öffnen sie wieder. Bild: Erich Sommer

Im Tübinger Kino Museum startet am Mittwoch, 2. Juni, das Filmfestival Cinelatino, und zwar ganz analog im Kino! Doch wie sieht es mit dem regulären Kinoprogramm aus? Branchen- und Verleihverbände forderten vor kurzem eine gemeinsame, bundesweite Öffnungsstrategie für Anfang Juli und Auflagen mit Augenmaß. Von den Vereinigten Lichtspielen Tübingen mit den Kinos Museum und Blaue Brücke gab es noch keine Stellungnahme.

Die Tübinger Kinos Arsenal und Atelier wollen schon sehr bald wieder aufmachen – sofern die Corona-Fallzahlen es zulassen: „Sobald es geht, wollen wir in Tübingen wieder loslegen, spätestens am 5. und 6. Juni“, sagte Betreiber Stefan Paul dem TAGBLATT. „Es gibt so viele Filme. Die Leute warten ja darauf.“ Er rechnet damit, dass die dänische Tragikomödie „Der Rausch“ über vier Lehrer zwischen Alkohol und Erschöpfung weiterhin der Hauptrenner sein wird. Der Kinobetreiber kann jedoch verstehen, dass die großen Häuser einen gewissen Vorlauf brauchen. „Die fangen ja an mit ,Nomadland’.“

In dem Oscar-Winner der chinesisch-amerikanischen Regisseurin Chloé Zhao spielt Frances McDormand eine 60-Jährige, die in einem klapprigen Kleinbus lebt und im Südwesten der USA von Job zu Job zieht. Der Film basiert auf dem Bestseller von Jessica Bruder über Arbeitsnomaden in den USA im 21. Jahrhundert.

„Wir fahren langsam hoch.“ Elmar Bux macht sich startklar. Archivbild: Dunja Bernhard

„Wir fahren langsam hoch.“ Elmar Bux macht sich startklar. Archivbild: Dunja Bernhard

Das Rottenburger Kino Waldhorn setzt auf „Nomadland“. Und noch andere hochkarätige Produktionen stehen bereit: In „The Father“ gibt Anthony Hopkins einen demenzkranken 80-Jährigen, der sich jeder Hilfe verweigert und auf keinen Fall seine Londoner Wohnung verlassen will. Aus den USA kommt die Tragikomödie „Kajillionaire“ um eine Familie (Mutter, Vater, erwachsene Tochter), die sich mit Tricksereien und Diebstählen durchschlägt.

„Wir machen auf, sobald wir dürfen“, sagt Inhaber Elmar Bux. Er bekomme bereits zahlreiche Anrufe von Verleihern. „Alle sind froh, wenn sie ihre Filme spielen dürfen.“ Besonders „Schwesterlein“ möchte er unbedingt zeigen, ein Drama mit Nina Hoss und Lars Eidinger. Darin müssen zwei erwachsene Geschwister aus dem Theatermilieu mit einem Schicksalsschlag fertig werden.

Drei bis vier Tage Vorbereitung müssten reichen, sagte Bux. „Wir werden das Kino erstmal langsam hochfahren. Wir gehen davon aus, dass wir im Juli wieder richtig Programm machen.“ Einige Filme laufen in Rottenburg sogar vor dem offiziellen Bundesstart, darunter die Komödie „Rosas Hochzeit“, in Spanien ein Publikumshit.

„Die Leute warten ja darauf.“ Stefan Paul will gleich loslegen. Archivbild: Ulrich Metz

„Die Leute warten ja darauf.“ Stefan Paul will gleich loslegen. Archivbild: Ulrich Metz

Zudem sieht der Kinobetreiber noch „eine Bringschuld“ in Bezug auf Produktionen, die vom zweiten Lockdown abgewürgt wurden. „Die meisten Filme, die wir angekündigt hatten, möchten wir noch anbieten.“ An erster Stelle nennt Bux das Drama „Und morgen die ganze Welt“ um eine Studentin zwischen Antifa und Neonazis. Für Kinder will er „Yakari“, „Drachenreiter“ und „Jim Knopf und die Wilde 13“ zeigen.

Auch die Doku „Oeconomia“ von Carmen Losmann über die Welt der Finanzwirtschaft soll im Waldhorn zu sehen sein. Dass Anfang Juli die Fußball-Europameisterschaft (EM) läuft, ist für Bux kein Problem: „Wir haben vorerst eh nur begrenzte Sitzplätze. Ich glaube nicht, dass das belastet.“

Bei den Lichtspielen Mössingen sieht Geschäftsführer Stefan Schlegel das ganz anders. Er führt den Familienbetrieb, den sein Vater und sein Onkel 1952 begründeten, in zweiter Generation. Wieso die Branchenverbände ausgerechnet den 1. Juli als bundesweiten Öffnungstag anvisieren, kann er nicht nachvollziehen: „Filme gibt es genug, vom Herbst noch. Aber die Umstände sind das Problem“: das Sommerwetter, die Fußball-EM und dann noch die ganzen Hygiene-Auflagen. „Das ist alles noch nicht überschaubar. Für Gastronomie und Kinos sind die Auflagen völlig unwirtschaftlich“, so Schlegel. Derzeit müssen Besucher geimpft oder negativ getestet sein und während der Vorstellung eine Schutzmaske tragen.

Bereits am Wochenende öffnete das Café Haag im Kino Atelier seinen Biergarten auf dem Haagtorplatz. Für Tresen und Kinobetrieb suchen Arsenal und Atelier noch studentische Aushilfskräfte. Denn einige aus dem bisherigen Team sind gar nicht mehr in Tübingen, sagte Paul. „Die machen alle Homeoffice. Die Uni hat jetzt das dritte Semester geschlossen.“

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Erstellt:
30.05.2021, 17:35 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 30.05.2021, 17:35 Uhr

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