Glatt · Kunst

Panoptikum aus Fundstücken und Erfundenem

Die Ausstellung „Wunderkammer“ von Werner Lehmann ist am Samstag im KMZ in Glatt eröffnet worden. Irene Ferchl empfahl den vielen Kunstfreunden, die 67 gezeigten Exponate genau zu betrachten.

23.09.2019

Von Cristina Priotto

Laudatorin Irene Ferchl unterhält sich bei der Vernissage mit Werner Lehmann über dessen „Wunderkammern“.Bilder: Cristina Priotto

Laudatorin Irene Ferchl unterhält sich bei der Vernissage mit Werner Lehmann über dessen „Wunderkammern“.Bilder: Cristina Priotto

Die Vernissage hatte am frühen Samstagabend noch nicht einmal begonnen, da war das erste der 67 ausgestellten Werke von Werner Lehmann bereits verkauft. Der Künstler aus Ludwigsburg zeigt bis 17. November im Kultur- und Museumszentrum (KMZ) Schloss Glatt Bilder und Kleinplastik unter dem Titel „Wunderkammer“ (wir berichteten).

Cajetan Schaub stellte bei der Eröffnung vor zahlreichen Kunstinteressierten im Fürstensaal fest, dass die Bezeichnung „Wunderkammer“ hervorragend in ein Museum wie das Glatter KMZ passe. Denn die Wunderkammern, Raritäten- oder Kuriositätenkabinette aus fürstlichen oder bürgerlichen Sammlungen ab dem 16. Jahrhundert, bildeten einst die Vorläufer heutiger Museen. In der Renaissance umfassten diese etwa exotische Naturobjekte und von Menschenhand Gemachtes.

„Eine ähnliche Vielfältigkeit findet sich in Werner Lehmanns Werk“, verglich Schaub die Renaissance-Wunderkammern mit den in Glatt ausgestellten. Die Schau verdanken die Stadt Sulz und Kunstfreunde Norbert Stockhus: Der Maler war zeitgleich mit Lehmann Schüler von Peter Grau an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.

In der Laudatio betonte Irene Ferchl, „Wunderkammer“ sei kein altmodischer Begriff, sondern eine außerordentlich stimmige Bezeichnung für die Arbeiten des Künstlers, zeigten doch die Objektkästen und Reliefs Raritäten, Kuriositäten und Gefundendes. Der Erschaffer schreibt dazu in der Einleitung zum Ausstellungskatalog: „Als Wunderkammer kommt mir manchmal der merkwürdige oder wunderbare Steinbruch irgendwo in meinem Innern vor, in den ich hinuntersteigen und etwas heraufholen kann und der mir die Bausteine für meine Bilder liefert“. Die Publizistin aus Stuttgart sagte: „Es gilt, vor Werner Lehmanns Wundern zu staunen, nicht sie zu verstehen“ und warnte davor, den Werken durch Interpretation den Zauber zu nehmen. Stattdessen empfahl Ferchl den Kunstfreunden, die Bilder und Kleinplastiken genau in Augenschein zu nehmen, um alle Details aufzunehmen. Als besonders faszinierend beschrieb die Kunstkennerin die Narrenschiffe mit ihren merkwürdigen Figuren. Der 70-Jährige behauptet zwar, am liebsten die Menschen von der Straße darzustellen. „Aber sind sie das wirklich, so außergewöhnlich, überzeichnet und karikaturenhaft?“, fragte die Laudatorin. Obwohl der Betrachter häufig schmunzeln könne, beabsichtige Werner Lehmann gar nicht, die Figuren als komisch darzustellen. Gefahren wie Winter, Sturm oder die Apokalypse durchziehen das Werk wie ein roter Faden. „Lehmann bannt das Unheimliche, indem er es darstellt und fiktiv bewältigt“, zog Ferchl eine Parallele zu Märchen, die für den Künstler eine wichtige Inspirationsquelle bedeuten. Michael Davidis zitierend, der auch die Einleitung zum Ausstellungs-Katalog verfasst hat, bezeichnete die Publizistin die handwerkstechnische Vorliebe für Zwischen- und Mischtechnik. Auf die verwendeten Fundstücke aller Art greift Lehmann in Schubladen im Atelier zurück. Für das Darzustellende schöpft der Kreativkopf auf Fantasie, Beobachtung, sehr häufig aber auch aus Anspielungen auf Kunst- und Literaturgeschichte und spielt dabei mit dem Wissen des Betrachters.

Die Kunstfreunde nahmen die Einladung zum genauen Hinschauen neugierig an und widmeten sich noch lange der eingehenden Betrachtung der „Wunderkammer“-Werke.

Eine musikalische Überraschung bereitete Johannes Wohlleben mit Improvisationen am Flügel. Der Bürger- und Kulturverein sorgte mit Brezeln und Getränken für die Bewirtung.

Johannes Wohlleben überraschte mit Improvisationen am Klavier.

Johannes Wohlleben überraschte mit Improvisationen am Klavier.

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Erstellt:
23.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 32sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2019, 01:00 Uhr

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