Bildungspolitik

„Parforceritt durch die Bildung“

Die nordrhein-westfälische Ministerin Yvonne Gebauer sprach über Schule und Bildung. Der FDP-Politiker Timm Kern hatte sie nach Horb geholt.

19.03.2018

Von Dunja Bernhard

Dr. Timm Kern, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag und Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, beide FDP, trafen sich auf Dr. Kerns Einladung in Horb. Bild: Kuball

Dr. Timm Kern, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im baden-württembergischen Landtag und Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, beide FDP, trafen sich auf Dr. Kerns Einladung in Horb. Bild: Kuball

Um nichts Geringeres als „die weltbeste Bildung“ ging es am Samstagnachmittag in einer Informationsveranstaltung mit Diskussion im Seminarraum der Activ-Arkaden. „Das sind hohe Ansprüche“, sagte FDP-Politiker Dr. Timm Kern. Aber er denke, dass Baden-Württemberg und Deutschland nur so im internationalen Wettbewerb bestehen können. „Wohlstand hängt in einer globalen Wirtschaft davon ab, weltbeste Produkte zu präsentieren.“ Sie könnten nur mit sehr guter Bildung erarbeitet werden.

„Wir können uns keine zweitklassige Bildung leisten“, sagte Kern. Schüler seien das Abbild der Gesellschaft. Wenn sie sich verändere, müsse sich auch Schule weiterentwickeln. Die FDP setze sich für ein gegliedertes Bildungssystem ein. „Wir wollen die passende Schule für jedes Kind.“

2000 Lehrer fehlen in NRW

Yvonne Gebauer (FDP) ist Ministerin für Schule und Bildung in Nordrhein-Westfalen (NRW). Das Verkehrsministerium und das Schulministerium hätten in ihrem Bundesland eine Gemeinsamkeit, sagte sie: „Die Baustellen.“ Als sie vor einem Jahr das Bildungsministerium übernahm, habe sie verkünden müssen, dass für das Schuljahr 2017/18 2000 Lehrer fehlten. 1000 davon in Grundschulen. Was dadurch bei Grundschülern versäumt werde, könne in weiterführenden Schulen nicht mehr aufgeholt werden. Als kurzfristige Lösung werden in Grundschulen nicht nur in Deutsch, Musik und Kunst– wie bisher schon –, sondern auch in Englisch „Seiteneinsteiger“ als Lehrer eingesetzt.

„Ich will aber keine sächsischen Verhältnisse“, sagte sie. In Sachsen hätten 70 Prozent der Lehrer einen anderen Beruf erlernt. NRW will Oberstufen-Lehrer, von denen es „Tausende zu viel gibt“, in Grundschulen einsetzen. Sie erhalten die Garantie, nach zwei Jahren an einer Grundschule an eine weiterführende Schule wechseln zu können. Innerhalb von zwei Wochen seien 80 Verträge unterschrieben worden, sagte Gebauer. Sie wertete das als Erfolg.

Außerdem wurden 600 Stellen für Zweitkräfte im Unterricht geschaffen, die keine Lehrer sind. Sie kämen häufig aus der Ganztagsbetreuung, kennen die Kinder und könnten ihre Stellen durch den zusätzlichen Einsatz am Vormittag aufstocken. Im April soll außerdem eine Lehrerwerbekampagne starten.

Weiterhin möchte die Ministerin 200 neue Studienplätze für Lehrer schaffen und zwar in den Orten, wo Lehrer besonders fehlen. 250 zusätzliche Studienplätze für Sonderpädagogen sind beschlossen. Bei Grund- und Förderschulen sowie Berufskollegs sei die Unterversorgung am größten.

Integration und Inklusion

Die Integration von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte liege in der Verantwortung der Schulen, sagte Gebauer. Es gebe verschiedene Modelle. Bei der Inklusion von Kindern mit Behinderung müsse die Qualität das Tempo bestimmen. Viele Förderschulen seien geschlossen worden. Wo es sie noch gibt, sollen sie erhalten bleiben.

Außerdem werden Förderschulgruppen eingerichtet an Schulen, die kein Inklusions-Angebot haben. Inklusionsschulen dagegen müssten alle erforderlichen Kräfte zur Verfügung gestellt werden, sagte Gebauer. „Eltern sollen das Wahlrecht zum Wohl des Kindes ausüben.“

Die Berufliche Bildung soll in NRW wieder mehr Beachtung bekommen. Der Fokus sei zu sehr auf die akademische Ausbildung gelegt worden. Es ist vorgesehen, dass Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammer mit Schulen „einen Pakt schließen“.

Nach dem Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ soll jeder Schulabgänger eine Weiterbildungsmöglichkeit erhalten. Sehr erfolgreich sei das Projekt der Ausbildungsbotschafter gewesen. Dabei gingen Lehrlinge in Schulen und erzählten von ihren Berufen. Derzeit gibt es dafür jedoch keine finanziellen Mittel.

Einen „Parforceritt durch die Bildung“ nannte Kern den 30-minütigen Vortrag der Ministerin. „Es wäre ein Fehler, sich im Bildungsbereich von der Leistung zu verabschieden“, sagte er. „Ein Appell an die Leistungsbereitschaft ist keine Körperverletzung.“ Schüler wollten durch Noten wissen, wo sie stehen. Kinder bräuchten auch die Erfahrung zu scheitern, um Frustrationstoleranz zu entwickeln.

Philipp Jungblut wollte von der Ministerin wissen, wie der Beruf des Grundschullehrers attraktiver gestaltet werden könnte. „Durch höhere Gehälter“, sagte sie. In NRW seien die Bezüge der Schulleiter und Konrektoren erhöht worden. Die der Lehrer müssten folgen. Außerdem gebe es die Idee der Doppelspitze an Schulen: eine pädagogische und eine kaufmännische Leitung.

Kern erzählte, dass es in Schweizer Schulen Digitalhausmeister gebe, die bei der Kommune angestellt sind. Ebenso könnten Schulverwaltungsassistenten Lehrer entlasten.