Pelo malo

Pelo malo

In dem Drama will ein dunkelhäutiger Junge aus Venezueala unbedingt seine krausen Haare bändigen.

24.01.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Ist Junior nicht ein süßer Fratz mit seinen schwarzen Locken? Er selbst findet das überhaupt nicht. Nach dem Vorbild eines Schlagerfuzzis will der Neunjährige unbedingt glattes Haar. Doch alle Versuche mit Öl oder Ei bringen keinen nachhaltigen Erfolg. Juniors allein erziehender, hart arbeitender Mutter Marta geht der Spleen gehörig auf die Nerven. Dagegen stößt der Junge bei der Oma, der Mutter seines dunkelhäutigen Vaters, der bei einer Schießerei ums Leben gekommen ist, auf Verständnis für sein Anliegen ? wenn auch nicht unbedingt aus edlen Motiven.

Anhand dieser etwas krausen Geschichte entwirft die Regisseurin Mariana Rondón ein ernüchterndes Bild von den Lebensumständen der Armen in Venezuela. Junior und Marta leben äußerst beengt in einem schäbigen Wohnsilo in Caracas. Die Angst, vergewaltigt oder ermordet zu werden, ist in diesem Viertel allgegenwärtig. Martas Suche nach einem besseren Job als Putzfrau gerät zu einem Spießrutenlauf inklusive sexueller Gefälligkeiten. Für die Erziehung des Sohnes, geschweige denn innige Mutterliebe, bleibt unter diesen Umständen keine Zeit.

Wer so prekär existiert, kommt offenbar auf die schrägsten Gedanken. So sitzt Marta plötzlich der Floh im Ohr, dass der Haar-Fimmel ihres Sohnes, der auch gern singt und tanzt, ein Zeichen homosexueller Neigung ist ? was unter allen Umständen unterbunden werden muss. Um ihm ein vermeintlich gutes Beispiel zu geben, schreckt sie nicht davor zurück, es vor den Augen des Kindes mit dem Nachbarn zu treiben. Dass der Junge ganz altersgemäß auf Identitätssuche ist, begreift sie nicht. Immer wieder schimmert aber auch durch, dass der ohnehin schon massive Konformitätsdruck in Venezuela für Menschen mit dunkler Hautfarbe noch deutlich höher ist.

Mariana Rondón zeigt in ihrem dritten Spielfilm ein gutes Gespür für die Analyse sozialer Verhältnisse und die Anatomie menschlichen Verhaltens ? vor allem aber für die glaubhafte Verschränkung beider Sphären. Ein Rätsel bleibt, warum die von ihr porträtierte Unterschicht Hugo Chavez und seinem Nachfolger Nicolás Maduro seit Jahrzehnten verlässlich an die Macht verhilft. In das Wohlergehen Martas und ihres Juniors können die Ölmilliarden des Landes jedenfalls nicht geflossen sein.

Armut, Homophobie und Anpassungsdruck in Venezuela ? sehr menschlich betrachtet.