Nationalmannschaft

Pleite im Prestigeduell

Die deutsche Abwehr wackelt bedenklich: Nach 22 Spielen ohne Niederlage muss sich der Weltmeister geschlagen geben – 0:1 gegen die spielstarken Brasilianer.

28.03.2018

Von ARMIN GRASMUCK

Der Stuttgarter Torjäger Mario Gomez (grünes Trikot) spielte von Beginn an, in  dieser Szene scheiterte er an Torwart Alisson. Foto: Patrik Stollarz/afp

Der Stuttgarter Torjäger Mario Gomez (grünes Trikot) spielte von Beginn an, in dieser Szene scheiterte er an Torwart Alisson. Foto: Patrik Stollarz/afp

Berlin. Der Abendhimmel über dem Olympiastadion wurde bedrohlich, als die beiden Mannschaften zum Warmlaufen auf den Rasen kamen. Es lag an der vorgerückten Stunde, aber auch an den schweren Wolken, die sich über Berlin schoben. Deutschland gegen Brasilien, der aktuelle und vierfache Weltmeister gegen den fünfmaligen Titelträger: Nach dem 7:1-Triumph der deutschen Elf im Halbfinale der Weltmeisterschaft vor knapp vier Jahren in Brasilien schien diese Partie von besonderer Brisanz. Der nächste Paukenschlag oder ein Hauch von Revanche – beide Auswahlen wussten die Partie gut elf Wochen vor Beginn der WM in Russland zumindest als Test von gehobenem Anspruch zu schätzen.

Tite, der Coach der Brasilianer, musste auf den verletzten Superstar Neymar verzichten, der sich in der Heimat von einer Fußoperation erholt, um rechtzeitig für die WM fit zu werden. Dafür konnte er auf nahezu alle anderen Spitzenakteure zurückgreifen, die aus der Champions League bekannt sind. Bundestrainer Joachim Löw schickte, im Vergleich zum 1:1 am Freitag gegen Spanien, eine stark veränderte Mannschaft auf das Spielfeld.

Boateng, der Kapitän

Er gab einigen Akteuren aus der zweiten Reihe die Möglichkeit, sich in dem letzten Auftritt vor der Bekanntgabe seines vorläufigen WM-Kaders zu präsentieren: Torwart Kevin Trapp, Antonio Rüdiger, Leroy Sané, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka und dem Stuttgarter Torjäger Mario Gomez. Ein Heimspiel war Marvin Plattenhardt, dem Linksverteidiger von Hertha BSC, vergönnt. Und Jerome Boateng, der vor knapp 30 Jahren in der Hauptstadt geborene Innenverteidiger, durfte die Mitspieler als Mannschaftskapitän anführen.

Schwungvoll ging es los. Den Brasilianern war offensichtlich daran gelegen, die größte anzunehmende Niederlage, die sie in dem legendären Aufeinandertreffen hinnehmen mussten, zu kaschieren. Schnell, direkt und ohne die für sie typischen technischen Schnörksel versuchten sie, vor das deutsche Tor zu kommen. Die Deutschen taten sich schwer, dieses spielerische Niveau mitzugehen. Gündogan und Kollegen erlaubten sich eine ganze Reihe von Fehlpässen, welche die Gäste zu Gegenstößen animierten.

Gefährlich wurde es für Löws Defensive, als Philippe Coutinho virtuos von links in den Sechzehner tänzelte, den entscheidenden Pass jedoch verpasste. Die beste Chance, den ersten Treffer zu erzielen, hatte Gabriel Jesus nach gut einer halben Stunde. In einem Konter zog er auf und davon, düpierte mit einem Haken zwei deutsche Verteidiger, stand allein zwölf Meter vor dem Tor und ballerte drüber. Zur Erinnerung: In dem Duell 2014 hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits 5:0 für Deutschland gestanden.

In der 38. Minute machte es der junge Angreifer von Manchester City aber besser. Nach einer scharfen Flanke von Willian stieg Gabriel Jesus hoch und drückte den Ball per Kopf aus fünf Metern ein – 1:0 für die Gäste.

Die Brasilianer bestimmten die Partie auch nach der Pause. Im stetigen Rhythmus zogen sie pfeilschnell und ohne größere Gegenwehr in die deutsche Hälfte. In der 55. Minute hatten sie eine kapitale Doppelchance: Erst knallte Willian aus halbrechter Position drauf, der Ball wurde von Rüdiger geblockt. Paulinhos Nachschuss hielt Trapp erstklassig. Kurz darauf hielt der überragende Coutinho nach einem Ballverlust von Joshua Kimmich von der Strafraumgrenze voll drauf – und knapp drüber. Die deutsche Abwehr wackelte gewaltig.

Auch dem Angriff fehlte der Pfiff. So musste sich der Weltmeister nach 22 Spielen ohne Niederlage geschlagen geben. Die Brasilianer, die sich den Erfolg in dem Prestigeduell redlich verdient hatten, konnten moralisch gestärkt die Heimreise antreten.