Horb · Kultur

Pluralismus von Stilen und Techniken

Die Ausstellung „12. Ortszeit“ ist eine Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Kunst im Nordschwarzwald. Morgen wird sie in Horb eröffnet.

19.09.2019

Von Dagmar Stepper

Tanja Solombrino

Tanja Solombrino

Der kleine König lugt aus einer Konservendose, sitzt in einer Tasse, ist in eine Serviette eingehüllt, in eine Torte verpackt. Dass er ein König ist, erkennt der Betrachter an der Krone, ansonsten ist sein Oberkörper nackt. Es ist eine ganz und gar unkönigliche Situation, in der sich der kleine König befindet. Auch die Größe der vier Plastiken – der kleine König ist faustgroß – sind nicht majestätisch. Er wirkt ein wenig verletzlich, fast will man ihn streicheln, was aber natürlich nicht gestattet ist. Der in Birkenfeld lebende Künstler Bernd Henning hat sie für die Ausstellung „12. Ortszeit 2019“ geschaffen, er ist einer der drei Preisträger der Ausstellung. „Henning spielt mit unseren Assoziationen“, beschreibt die Kunsthistorikerin Tanja Solombrino Hennings Stil.

Solombrino gehört dem Kulturbeirat Pforzheim an, sie führt vorab durch die „12. Ortszeit“, die am morgigen Freitag um 19.30 Uhr in den Räumen des Kunstvereins Oberer Neckar im Horber Kloster eröffnet wird. Die Wanderausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Landkreise Calw und Freudenstadt, des Enzkreises und der Stadt Pforzheim, sie ist Kulturförderung und dokumentiert die Vielfalt der hiesigen Künstler.

In Horb ist man übrigens stolz darauf, dass der Kunstverein Oberer Neckar die einzige Galerie im Kreis Freudenstadt ist, die die jurierte Ausstellung dem Publikum präsentieren kann. Beliebt in der Kunstszene ist sie allemal: Über 380 Arbeiten wurden für die „12. Ortszeit“ eingereicht, eine Jury hat davon 49 Werke von 26 Künstlern für die Ausstellung ausgewählt. „Es ist eine spannende Mischung aus etablierter Kunst und von Studierenden“, sagt Tanja Solombrino.

Der Ausstellungstitel der „12. Ortszeit“ lautet „Figur und Raum“, er sollte die Künstler dazu animieren, sich mit den grundlegenden Themen in der Kunst auseinanderzusetzen: der Wahrnehmung eines optischen Gebildes und dessen Beziehung zu seiner Umgebung. Bevor sie nun Station in Horb macht, war sie in Neuenbürg und in Calw zu sehen. „Die Ortszeit wird in der Region zwischen Stuttgart und Karlsruhe sehr wohl wahrgenommen“, erläutert Tanja Solombrino.

Den Anspruch der Kuratoren, einer Schau von hohem künstlerischen Niveau gerecht zu werden, sieht sie voll erfüllt. Sie weist auf die zweite Preisträgerin, Dinah Günther aus Freudenstadt. Sie hat ihr Atelier gemalt, auf einem Bild vereint sie zwei Perspektiven davon: Einmal ist sie selbst darauf zu sehen, das andere zeigt einen anderen Künstler. Die Ansichten hat sie aus zwei leicht verschobenen Blickwinkeln gemalt, was gut zum Ausstellungstitel passt. „Dinah Günther setzt sich sehr mit sich selbst und mit anderen Menschen auseinander“, sagt die Kunsthistorikerin.

Auch bei der dritten Preisträgerin Nastassia Atrakhovich steht der Mensch im Zentrum: Ein Kind in einem Treppenhaus, ein Mädchen in einem Flur, sie wirken im Raum verloren. Die Fotografien der aus Weißrussland stammenden und in Calw lebenden Künstlerin sind bewegte Momentaufnahmen.

Vom Horber Kunstverein sind zwei Künstler bei der Ausstellung dabei: Albrecht A. Bopp ist mit drei monochromen Industrielandschaften vertreten. Sie sind typische Bopps, aber jedes Mal schafft er es, neue Aspekte in seine Werke einzuweben. Tanja Solombrino weist auf die räumliche Wirkung der Bilder hin, die den Ausstellungstitel aufgreifen. Muriel Shah hat alte Zigarrenkisten, mit Figuren bemalt, zu einem Relief zusammengefügt – auch hier Figur und Raum.

„Die einjurierten Arbeiten warten mit einem Pluralismus von Stilen und Techniken auf, welche nicht nur dem breiten Spektrum der zeitgenössischen Kunst in der Region Nordschwarzwald Rechnung trägt, sondern auch zeigt, dass sich einige der Künstlerinnen und Künstler dem Ausstellungsthema mit neuen Fragestellungen und bemerkenswerten Konzepten angenähert haben“, schreibt Tanja Solombrino in dem Prospekt, der zur Ausstellung erschienen ist.

Geht man durch die Ausstellung, kann man ihr nur Recht geben: Der Student Thomas Sterzer hat einen schwarzen Theatervorhang aufbereitet. Der schwere Samtstoff weist Risse auf, sie wirken wie Narben, die das Leben hinterlassen hat. Ulrich Seibt hat sich den geraden Linien verschrieben, meisterhaft, wie er
mit ihnen Räume erzeugt. „Diasporation“ hat Harald Körner
sein Werk betitelt, eine Neoplastik, die mit dem Wortspiel Denkräume eröffnet. Christine Hubers Werk gleicht einem buntem Wimmelbild, es ist ein Potpourri aus Rehen, Äpfeln, Zeitungsausschnitten – eben alles, was man so finden kann.

„Es ist unheimlich inspirierend zu sehen, was vor sich geht in der Region, was da rumort“, sagt Tanja Solombrino beim Betrachten der Werke. Wie wahr.

Die Termine

Die Ausstellung „12. Ortszeit 2019“ in den Räumen des Kunstvereins Oberer Neckar im Horber Kloster wird am morgigen Freitag, 20. September, um 19.30 Uhr von Landrat Dr. Klaus Michael Rückert eröffnet. Die Kunsthistorikerin Tanja Solombrino wird in das Werk einführen. Anschließend ist sie bis 13. Oktober samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Anschließend geht die Wanderausstellung weiter nach Pforzheim. Dort wird sie vom 25. Oktober bis 5. Januar im Reuchlinghaus gezeigt.

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Erstellt:
19.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 19.09.2019, 01:00 Uhr

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