Tötungsdelikt
Polizei verhaftet 27-Jährigen: „Dringender Tatverdacht“
Im Fall des am vorletzten Samstag getötet aufgefundenen Michael Riecher zeichnet sich ein Erfolg ab: Die Polizei nahm einen Tatverdächtigen fest.
Am Freitagabend hatten Kriminalbeamte begonnen, das Elternhaus des getöteten Michael Riecher zu durchsuchen. Es steht ebenfalls in Nordstetten; Riecher hatte es an eine Familie vermietet. Im Rahmen der polizeilichen Maßnahme wurde ein 27-Jähriger festgenommen und noch am Samstag auf richterliche Anordnung in Untersuchungshaft überstellt.
Es besteht ihm gegenüber dringender Tatverdacht, wie die Staatsanwaltschaft Rottweil und das Polizeipräsidium Tuttlingen in einer gemeinsamen Pressemitteilung am Samstag um kurz nach 16 Uhr verlauten ließen: „Der in Horb wohnende Festgenommene gehört seit über einem Jahr zum näheren Bekanntenkreis des Getöteten und ist syrischer Abstammung.“ Dass er in Riechers Elternhaus wohnte, mag in der Zusammenschau aller Einzelinformationen naheliegen; eine offizielle Bestätigung hierzu liegt jedoch nicht vor.
Der Bewohner des Hauses jedenfalls war vor ungefähr drei Jahren nach Deutschland gekommen und wohnte zunächst in der Flüchtlingsunterkunft Ihlinger Straße in Horb. Erst im Spätsommer dieses Jahres zog er in das Nordstetter Haus ein. Bis dahin hatte er schnell die deutsche Sprache gelernt, sich in Horb einen gewissen Bekanntheitsgrad geschaffen, sich engagiert am Gemeinschaftsleben beteiligt und ehrenamtlich die Kleiderkammer sowie andere Veranstaltungen des „Freundeskreis Asyl“ unterstützt. Er hatte außerdem einen festen Arbeitsplatz.
Nach Auskunft der Polizei dauern die kriminalpolizeilichen Ermittlungen zum Tatmotiv noch an. Auch der Tathergang ist bislang keineswegs vollständig rekonstruiert. Jedoch spricht der Haftbefehl ausdrücklich von „Mord“. Neue Erkenntnisse haben also den bis Freitagabend von der Polizei verwendeten Begriff „Tötungsdelikt“ präzisiert.
Spurensicherung geht weiter
Deshalb arbeiten die Polizeibeamte auch in der Wohnung und dem Büro des Getöteten weiter gründlich daran, alle Spuren zu sichern. „Jetzt geht die Arbeit erst richtig los“, kommentierte einer der Kriminaltechniker die neueste Entwicklung.
Wie lange sie noch dauern wird, konnte er nicht abschätzen: „Wir bleiben hier so lange, bis wir fertig sind“, meinte er lakonisch und bestätigte damit die Einschätzung des Tuttlinger Oberkommissars Dieter Popp: Gründlichkeit sei das A und O bei der Spurensicherung, und dafür nehme man sich alle Zeit, die man brauche.
In der Nachbarschaft des Getöteten wird man die Nachricht von der Verhaftung mit einiger Erleichterung zur Kenntnis genommen haben. Kurz vor der offiziellen Bestätigung der Festnahme fragte ein dort wohnender Vater den SÜDWEST PRESSE-Reporter nach dem Stand der Dinge: „Wir wohnen hier in der Ecke und haben Angst. Unsere Tochter lassen wir seit drei Tagen nicht mehr zum Spielen raus.“
Sollte sich der Verdacht gegen den Festgenommenen bestätigen, können dieser Vater und andere Nachbarn endgültig aufatmen. Doch bereits jetzt lassen sich die Ermittlungsergebnisse interpretieren: Riecher war offenbar kein Zufallsopfer irgendeines willkürlich handelnden Verbrechers, sondern wurde vom späteren Täter gezielt aufgesucht. Selbst wenn der Verdacht gegen den Festgenommenen nicht aufrechterhalten werden könnte, sollte das die derzeit verständlicherweise beunruhigten Nachbarn erleichtern können.
Weiterer Fortgang
Wann ist mit neuen Erkenntnissen zu rechnen? „Soweit sich nichts gravierend Neues ergibt, werden wir im Laufe der kommenden Woche wieder an die Öffentlichkeit herantreten“, stellt der Tuttlinger Polizeioberkommissar Dieter Popp in Aussicht. Dies sei so mit der Staatsanwaltschaft in Rottweil abgestimmt. Als „gravierend Neues“ käme beispielsweise ein Geständnis des Beschuldigten in Betracht – oder aber ein stichhaltiges Alibi für die Tatzeit, sodass der Verdacht fallen gelassen werden müsse.
Eine Passantin am Elternhaus wies eindringlich auf genau diese letztgenannte Möglichkeit hin: „Niemanden vorverurteilen!“, empfahl sie dem SÜDWEST PRESSE-Reporter eindringlich.
Grund der Festnahme: Mord
Der im Haftbefehl genannte Grund für die Festnahme des Tatverdächtigen lautet „Mord“. Dies ließ der Tuttlinger Polizeihauptkommissar Dieter Popp durchblicken. „Ein Mord ist ein sogenanntes qualifiziertes Tötungsdelikt“, erklärte Popp.
Paragraf 211 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs nennt drei Kategorien von Tatmerkmalen des Mordes: 1. Verwerflichkeit (Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründe), 2. Tatausführung (Heimtücke, Grausamkeit, gemeingefährliche Mittel), 3. Verwerfliche Zielsetzung (Ermöglichen oder Verdecken einer anderen Straftat, sonstige verwerfliche Absicht). Mindestens eines davon muss erfüllt sein, damit Kriminalisten und Juristen von einem Mord sprechen. Welches oder welche das im gegenwärtigen Fall seien, wollte Popp mit Rücksicht auf die Ermittlungen nicht beantworten.