Über den ersten Immobilien-Dialog

Privatkapital ist willkommen, aber zu Tübinger Spielregeln

Zum ersten Mal fand im Rathaus ein Treffen zwischen Vertretern der Immobilienwirtschaft und der Kommunen Tübingen und Reutlingen statt.

27.10.2016

Von Volker Rekittke

Gegen hohe Eintrittspreise zum „Immobilien-Dialog“ protestierte das Tübinger Wohnraumbündnis gestern vor dem Rathaus. Bild: Metz

Gegen hohe Eintrittspreise zum „Immobilien-Dialog“ protestierte das Tübinger Wohnraumbündnis gestern vor dem Rathaus. Bild: Metz

Was am dringendsten gesucht wird, sind bezahlbare Wohnungen“, stellte Oberbürgermeister Boris Palmer in seinem Eingangsvortrag beim „Immobilien-Dialog“ im Tübinger Rathaus klar. Deshalb werde die Stadt in allen künftigen Baugebieten eine Quote für Sozialwohnungen von „um die 25 Prozent“ vorschreiben. Privates Kapital sei beim sozialen Bauen willkommen, wurde bislang jedoch noch nicht sehr oft gesichtet. Größere Neubauflächen gibt es in Tübingen kaum noch –  in der Kernstadt gerade noch am Hechinger Eck und im Derendinger Saiben: „In den nächsten fünf Jahren kann da etwas beginnen.“

Was der OB unbedingt vermeiden möchte, ist eine Immobilienblase. Die sei zwar noch nicht da, sagte Jürgen Ferber vom Kreissparkassen-Vorstand, jedoch: „Wenn wir so weiterwachsen, kann das durchaus passieren.“ Zugleich kündigte Ferber an, die Kreissparkasse Tübingen werde in der Region nun auch selbst verstärkt in den Kauf von Immobilien einsteigen – und diese nicht nur vermitteln oder Kredite dafür zur Verfügung zu stellen. Legt das Kreditinstitut nun auch einen Fonds auf, in den Bürger Geld für den Wohnungsbau einzahlen können? „Wir prüfen das“, versprach Ferber. Genauso wie die Stadt derzeit einen Antrag der Grünen bearbeitet, in dem ein kommunaler Wohnungsbaufonds genannt wird. Baubürgermeister Cord Soehlke machte jedoch klar, dass er davon nicht viel hält – viel hingegen von privaten Kleinkrediten an Projekte wie das Mietshäuser Syndikat oder die Nestbau AG. Die Salzburger Variante brachte Mieterbund-Geschäftsführer Thomas Keck ins Spiel: Ein öffentlich kontrollierter „revolvierender Fonds“, bei dem die Mieterlöse gleich wieder in Modernisierung und Neuerwerb gesteckt werden.

Keck forderte auch: „Die Kommunen müssen eine aktive Rolle bei der Wohnungspolitik spielen.“ Das sah auch Soehlke so, der die Tübinger Linie einer „aktiven Bodenpolitik“ beschrieb: Die Stadt kauft den Grund, dann erst wird geplant und entwickelt. Wichtig ist Soehlke die Vielfalt der Akteure: GWG und Kreisbau, private Baugruppen, Bauträger, Initiativen wie das Vier-Häuser-Projekt. Die Stadt setzt den Rahmen.

Derweil machte OB Palmer klar, wie Tübingen tickt: „In Tübingen etwas zu bauen ohne Bürgerbeteiligung, können Sie vergessen. Wenn Sie es versuchen, werden Sie krachend scheitern.“ Transparenz und Bürgerdialog seien Pflicht. Von seinen „harten Verhandlungen“ mit der Stadtverwaltung berichtete Antonius Kirsch von der BPD Immobilienentwicklung GmbH. In der Derendinger Ölmühle entstehen derzeit sechs Gewerbe- und 80 Wohneinheiten, davon 18 geförderte. Doch das Ergebnis sei hervorragend. Obschon erst im Rohbau, seien bereits 90 Prozent der Wohnungen verkauft. „Trauen Sie sich nach Tübingen“, forderte Kirsch die Branchenkollegen auf. Die Zusammenarbeit mit der Bauverwaltung sei unterm Strich sehr gut gewesen und „sehr verlässlich“.

Unter dem Titel „Studierende prägen die Region“ machte Bernd Selbmann von Vermögen und Bau Baden-Württemberg schließlich die Bedeutung der Universität für Tübingen klar: Von den 87000 Einwohnern sind 22000 Studierende mit Erstwohnsitz in Tübingen, insgesamt sind es aktuell sogar 28000 Studenten. Mittelfristig dürften die dem doppelten Abiturjahrgang geschuldeten Zahlen wieder etwas sinken und sich bei 24000 einpendeln, so Selbmann.

Zugleich prognostizierte er eine stetige Zunahme von Forschern und deren Teams sowie Familien – an der Uni genauso wie am Klinikum und an Instituten wie dem MPI. Und alle brauchen Wohnungen.

Gewerbeflächen sind in Tübingen äußerst knapp

Gewerbeflächen in Tübingen sind rar, die Nachfrage ist groß. Dabei wollen so gut wie keine Firmen von außerhalb in die Region, so Gerhard Fiedler von der gleichnamigen Gewerbeimmobilen GmbH. Die Flächen benötigen hiesige Unternehmen, die erweitern wollen. Etliche von ihnen brauchen dafür keine Kredite, sie bauen mit eigenem Geld. Was tun? „Mehr Kooperation mit den Umlandgemeinden“, wünschte sich Fiedler von Tübingen – so wie schon lange zwischen Reutlingen und Kirchentellinsfurt sowie Kusterdingen.

„Wir brauchen in den nächsten Jahren 10 Hektar neue Gewerbefläche im Außenbereich“, sagte OB Palmer – etwa am Rande des Derendinger Saiben, beim (umstrittenen) Au-Brunnen oder weiter draußen im Neckartal. Reutlingens Wirtschaftsbürgermeister Alexander Kreher kündigte für seine Stadt sogar 120 Hektar neue Gewerbefläche bis 2030 an.