Musik rockt die Zelle

Prof. Hans-Peter Zenner erklärte Kindern, wie das Hören funktioniert

Töne kann man sehen. Zellen tanzen Rock‘n‘Roll. Und das ist noch nicht alles: Auch über merkwürdige Mini-Werkzeuge und kleine Männer im Ohr staunten die 300 Studierenden am Dienstag zum Auftakt der 15. Kinder-Uni in der Vorlesung von Prof. Hans-Peter Zenner.

28.04.2016

Von Ulla Steuernagel

Jan, Kai und Ceyda assistieren Prof. Hans-Peter Zenner hier bei einem Ohrmodell. Bild: Metz

Jan, Kai und Ceyda assistieren Prof. Hans-Peter Zenner hier bei einem Ohrmodell. Bild: Metz

Tübingen. Wie kann man Töne sehen? Ganz einfach: Man nehme eine Trommel und noch eine Trommel und einen Tischtennisball. Diesen Ball lege man in die Mitte der einen Trommel und schlage mit Wucht auf die andere. Auf der nicht-geschlagenen Trommel hüpft der Ball nun in die Höhe.

Prof. Hans-Peter Zenner ist Mediziner und seine Spezialität sind Hals, Nasen und Ohren. Er weiß also genau, wie Krach, Musik oder auch geflüsterte Worte in die Ohren und von dort ins Gehirn wandern. Der Hörsinn ist noch nicht einmal aufs Sehen angewiesen, er funktioniert im Dunkeln so gut wie im Hellen. Und anders als Augen nehmen Ohren auch um die Ecke wahr. Manches auf dem unsichtbaren Hörweg durch den Kopf lässt sich sichtbar machen. „Die Wissenschaft“, so erklärte Zenner den rund 300 Kindern im Kupferbau-Hörsaal, „macht das über das Experiment.“

Und wie es sich für einen Professor gehört, hatte Zenner gleich einen Stab von Assistenten, die ihm dabei behilflich waren. Sie hießen Jana, Kai, Ceyda und Dr. John Philipp Thiericke.

Thiericke hielt ein Messgerät hinter den Kopf eines Assistenten, und immer wenn Zenner auf die Trommel schlug, machte das Instrument einen Pfeifton. Dieser Ton gibz an, wie der Trommelschlag im Ohr angekommen ist.

8000 kleine Männer

sitzen im Ohr

Eine Trommel ist praktisch das große Modell des Trommelfells, das jeder im Ohr hat. Es gerät durch akustische Signale, also Schallwellen, in Schwingungen. Das Trommelfell setzt so drei Knöchelchen in Bewegung. Es sind die kleinsten Knochen im menschlichen Körper, sie heißen so, wie sie aussehen: Hammer, Amboss und Steigbügel. Im Film konnte man sehen, wie raffiniert die Kettenreaktion von Hammer zu Amboss und Steigbügel in Gang gesetzt wird. Letzterer klopft dann bei der Hörschnecke an. Sie sitzt im Innenohr und sieht wie das Gehäuse einer Schnecke aus. Das Gehäuse enthält Wasser, denn Wasser gibt die Schallwellen besonders gut weiter. Zenner ließ einen Stein in einen durchsichtigen Behälter mit Wasser fallen, und alle Kinder sahen die Wellen, die dadurch ausgelöst werden.

Die Hörschnecke enthält aber auch noch 8000 Hörzellen oder „kleine Männer“ mit feinen Härchen am oberen Ende, die sich mit den Schallwellen bewegen, sie weitergeben und verstärken. Diese Zellen können richtig gut tanzen. In einem durchs Mikroskop gefilmten Video konnten die Kinder sehen, wie sie zu Bill Haleys „Rock around the clock“ abrockt.

Man hätte auch gerne die schnellen, vielleicht schreckhaften Bewegungen gesehen, die so eine kleine Zelle macht, wenn ein ganzer Hörsaal voller Kinder losbrüllt: 101 Dezibel, damit wird Lautstärke gemessen, kamen dabei heraus.

Die Kinder hatten auch Fragen an den Professor. „Wie kriegt man Ohrenschmerzen?“, wollte ein Student wissen. Der häufigste Grund sei eine Mittelohrentzündung. Im Gehörgang bildet sich Eiter und drückt auf das Trommelfell, erklärte der Mediziner und setzte hinzu: „Ich werde auch krank, obwohl ich Arzt bin.“

Wie wird man taub, war eine andere Frage. Bei den meisten Gehörlosen sind Hörzellen abgestorben, so die Antwort. Wie ein Ohrwurm entsteht, das wollte ein Junge wissen. Da kommt nun das Gehirn ins Spiel, das einen wichtigen Beitrag beim Hören liefert. Es bekommt das Lied vom Ohr übermittelt und behält es im Gedächtnis.

„Wieso hören wir ein Piepsen im Ohr“, fragte ein anderes Kind. Zenner wies auf eine merkwürdige Sache hin. Manchmal hören die Hörzellen zwar nichts, aber sie geben trotzdem Meldung ans Gehirn. „Das Gehirn“, so der Professor, „ist zu dumm zu erkennen, dass die Zellen gar nichts hören.“

Info: In der nächsten Kinder-Uni-Vorlesung erklärt Prof. Ulrich Lauer, warum es gute und böse Viren gibt. Sie ist am Dienstag, 3. Mai, um 17.15 Uhr im Kupferbau-Hörsaal 25.