Schülermentoren am Tübinger Kepler-Gymnasium

Projekttag zum richtigen Umgang mit Mobbing im Netz: ignorieren, melden, anzeigen

Ausgebildete Schülermentoren des Tübinger Kepler-Gymnasiums diskutierten am Montag mit ihren Mitschülern über Hass und Hetze im Internet.

04.04.2017

Von Lorenzo Zimmer

Siebt- und Achtklässler des Kepler-Gymnasiums sprechen sich in einem selbstgedrehten Videoclip gegen Hass und Hetze im Netz aus. Bild: Zimmer

Siebt- und Achtklässler des Kepler-Gymnasiums sprechen sich in einem selbstgedrehten Videoclip gegen Hass und Hetze im Netz aus. Bild: Zimmer

Plötzlich stand der ganze Saal: Die Medienpädagoginnen Sonja Di Vetta und Kathrin Walter hatten all jene in der Aula versammelten Siebt- und Achtklässler des Tübinger Kepler-Gymnasiums gebeten aufzustehen, die jeden Tag Zeit auf der Webseite Youtube verbringen.

Dass das Ergebnis deutlich zugunsten der nicht nur bei Jugendlichen beliebten Videoplattform ausfallen würde, war Di Vetta und Walter klar. „Ihr nutzt das. Und das ist auch okay“, so Rektorin Ulrike Schönthal bei ihrer Begrüßung. „Aber ihr solltet euch überlegen, was ihr da macht, was ihr preisgebt und was ihr anderen mit euren Aussagen möglicherweise antut.“

Um Hass und Hetze im vermeintlich anonymen Internet, um moralische Aspekte, aber auch um rechtliche Konsequenzen von so genannter „Hatespeech“, also Hassrede, sollte es am Kepler-Gymnasium den Montag über gehen.

Zu diesem Zweck hatten sich 20 Neunt- und Zehntklässler vor einigen Wochen bei einem ganztägigen Workshop zu Mentoren ausbilden lassen. Jetzt gaben sie ihr Wissen an die Siebt- und Achtklässler weiter. Die Initiative „#Nichtegal“ ruft Jugendliche dazu auf, bei Hetze und Mobbing auch online nicht wegzuschauen. „#Nichtegal“ wurde von Youtube selbst ins Leben gerufen, die Bundeszentrale für politische Bildung und weitere Partner helfen bei der Umsetzung.

Anonymität senkt Hemmschwelle

Einer der für den Projekttag am Kepler-Gymnasium ausgebildeten Mentoren ist der Zehntklässler Yannik Herrmann. Er will seinen Mitschülern aufzeigen, dass bei „Hatespeech“ klare Definitionen manchmal schwer fallen: „Wenn jemand auf Youtube schreibt ,Was ist das für ein Scheißvideo?‘ – ist das schon Hatespeech“, fragte er seine Mitschüler. Bei der Umfrage meldeten sich nur etwa zehn der rund 100 versammelten Schüler für „Ja“.

Beim nächsten Beispiel fiel den Schülern eine klare Definition leichter. „Haut ab, ihr Drecks-Ausländer“, zitiert Yannik und wirft mittels Beamer einen Screenshot des Beitrags an die Wand. Ist das Hetze? Diesmal gibt es keine zwei Meinungen, alle Hände gehen hoch.

Christian Sigmund, Ethik-Lehrer am Kepler-Gymnasium, hat seine Schüler bei der Initiative „#Nichtegal“ angemeldet. Nicht etwa, weil er findet, dass sie Mobbingprävention besonders nötig hätten: „Natürlich sind die Schüler auch mal fies zueinander. Aber ich glaube nicht, dass das in besonderem Maße stattfindet.“ Doch in den letzten Jahren habe das Thema an Aktualität zugelegt: „Die Anonymität im Netz senkt Hemmschwellen.“

Aus Sigmunds Sicht ist es leichter, andere im Internet zu beleidigen als bei einer realen Begegnung: „Ich muss das demjenigen nicht ins Gesicht sagen, sondern kann meinem Ärger Luft machen, während ich sicher hinter meinem Bildschirm sitze.“ Den Vormittag über sprachen die Schüler mit den Mentorinnen und Mentoren über Grenzen der Meinungsfreiheit. Anschließend drehten sie kurze Videoclips, in denen sie sich von Hass im Internet klar distanzierten.

Zum Abschluss durften die Schülerinnen und Schüler samt Mentoren dann noch jemanden interviewen, der seinem Ärger auch manchmal in sozialen Medien Luft macht. Und dabei gelegentlich selbst heftig angefeindet wird. Oberbürgermeister Boris Palmer: „Als Politiker muss ich eben da verfügbar sein, wo die Menschen sind. Das heißt nun mal auch auf Facebook.“

Bei Drohungen zur Polizei gehen

Auch er werde immer wieder Opfer von Hass im Netz: „Viele haben im Internet das Gefühl, aus der sicheren Anonymität heraus mal so richtig vom Leder ziehen zu können“, so Palmer. Etwa fünf Mal sei das in seinem Fall deutlich zu heftig gewesen: „Wenn dir einer sagt, dass du besser auf deine Kinder aufpassen sollst, weil sie morgen weg sein könnten, solltest du zur Polizei gehen.“ Wenn es nicht ganz so weit geht, hat die Mentorin Maya Patka einen anderen Rat: „Meistens gibt es auf den Webseiten eine Ignorier-Funktion.“

Damit erreiche man zumindest, dass der Täter keine weitere Aufmerksamkeit bekommt. Wem das Blockieren von Hetze im Netz nicht reicht, der kann die Sachen beim Webseiten-Betreiber melden. Patka: „Bei Facebook und Youtube geht das. Dann können die Plattformen auf den Hass reagieren.“