Gesellschaft

Prostitution erst ab 21 Jahren?

Unionsfraktion im Bundestag will Regeln für käuflichen Sex verschärfen. Während von einem Interessenverband Kritik kommt, sind sich Frauenrechtlerinnen bei der Bewertung uneins.

12.02.2021

Von MICHAEL GABEL

Die Bordelle sind geschlossen, doch die Regelungen zur Prostitution werden wieder schärfer diskutiert. Foto: Boris Roessler/dpa

Die Bordelle sind geschlossen, doch die Regelungen zur Prostitution werden wieder schärfer diskutiert. Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin. Die Unionsfraktion im Bundestag will strenge Auflagen für Prostituierte und ihre Freier durchsetzen. Das Echo darauf fällt unterschiedlich aus. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was plant die Unionsfraktion? Mit mehreren Forderungen will die Unionsfraktion im Bundestag nach den Worten ihrer stellvertretenden Fraktionschefin Nadine Schön die Situation von Prostituierten verbessern. Vorgeschlagen wird unter anderem ein Prostitutionsverbot für Frauen und Männer, die jünger als 21 Jahre alt sind sowie für Schwangere. Außerdem sollen sich Freier von der Prostituierten die Anmeldung für ihr Gewerbe zeigen lassen. Um den Straßenstrich zurückzudrängen, sollen Kommunen stärker von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, Sperrbezirke auszuweisen.

Wie bewerten das die Betroffenen? Bei der Beratungsstelle Hydra lehnt man die Vorschläge ab. So würde ein Prostitutionsverbot für unter 21-Jährige „Sexarbeiterinnen in die Illegalität“ drängen, wie Hydra-Mitarbeiterin Nadja Zillken dieser Zeitung sagt. Betätigungsverbote für Schwangere könnten kaum kontrolliert werden. Und die Pflicht, den Kunden Ausweise vorzuzeigen, könne die Frauen erpressbar machen. „Wie schnell lassen sich davon Fotos machen, die dann im Internet landen?“, fragt Zillken.

Was sagen Frauenrechtlerinnen? Bei der Organisation Terre des Femmes kritisiert man, dass die Union mit ihren vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht konsequent gegen Gewalt an Frauen vorgehe, die tagtäglich in der Prostitution passiere. „Nachbesserungen am Prostituiertenschutzgesetz, die eventuell auch noch eine Kriminalisierung der Prostituierten zur Folge haben könnten, sind der falsche Weg“, sagt Gesa Birkmann von Terre des Femmes. „Allein die Einführung eines Sexkaufverbots in Verbindung mit staatlich finanzierten Ausstiegsprogrammen“ könne den Markt für Prostitution reduzieren.

Die Vorkämpferin für Frauenrechte, Alice Schwarzer, begrüßt dagegen den Unions-Vorstoß. Die Positionen seien „ein gewaltiger Schritt“. Das 2016 verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz sei bisher zahnlos geblieben. So sei die darin enthaltene Anmeldepflicht „eine Lachnummer“.

Wie ist die aktuelle Gesetzeslage? Im vor knapp fünf Jahren von der großen Koalition beschlossenen Prostitutiertenschutzgesetz werden verschiedene Maßnahmen festgelegt, um die Prostitution aus der rechtlichen Grauzone zu holen und damit besser kontrollierbar zu machen. So sind seither Bordellbetriebe erlaubnispflichtig. Polizei und Ordnungsbehörden bekommen leichter Zugang zu Bordellbetrieben. Wer ein solches Etablissement betreiben will, darf zudem nicht wegen Zuhälterei vorbestraft sein. Prostituierte müssen sich anmelden und auch ihre Tätigkeitsorte angeben. Für entwürdigende Sexualpraktiken darf nicht geworben werden. Wie das Bundesgesetz im Einzelnen umgesetzt wird, ist allerdings Ländersache.

Welche wirtschaftliche Dimension hat die Prostitution? Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor. Aber das Statistische Bundesamt schätzt, dass hierzulande 400 000 Menschen diesem Gewerbe nachgehen, darunter rund 20?000 Männer. Der Umsatz der Branche wird auf jährlich etwa 15 Milliarden Euro geschätzt. Ein Problem ist die Schwarzarbeit. Nach Angaben des Bundesrechnungshofs erlangt der Fiskus aus den Milliardengewinnen „keine nennenswerten Steuereinnahmen“.

Sehen andere Parteien ebenfalls Handlungsbedarf? In der SPD gibt es eine Gruppe von Frauen, die das sogenannte nordische Modell durchsetzen will, das unter anderem in Schweden praktiziert wird. Das bedeutet: Prostitution wird verboten, aber nur die Freier werden bestraft. Für Prostituierte gibt es Ausstiegshilfen. Mehrheitsmeinung in der SPD ist das aber nicht. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, kritisiert das nordische Modell. Begründung: Prostitution würde dann in der Illegalität stattfinden, „ohne Möglichkeit für die Prostituierten, Schutz zu bekommen“.