Fataler Tritt aufs Gaspedal

Prozessauftakt in Tübingen zum Mülllaster-Unfall, bei dem eine fünfköpfige Familie starb

Im August vergangenen Jahres stirbt eine fünfköpfige Familie bei einem Unfall mit einem Müllwagen. Jetzt muss sich der 54-jährige Fahrer vor Gericht verantworten.

07.03.2018

Von MADELEINE WEGNER

Für die Rettungskräfte bot sich bei dem Unfall am 11. August ein Bild des Schreckens. Der Müllwagen war auf einen PKW gekippt. Fünf Menschen starben noch am Unfallort.  Foto: Andreas Rosar/dpa

Für die Rettungskräfte bot sich bei dem Unfall am 11. August ein Bild des Schreckens. Der Müllwagen war auf einen PKW gekippt. Fünf Menschen starben noch am Unfallort. Foto: Andreas Rosar/dpa

Nagold/Tübingen. Der tragische Unglücksfall am 11. August des vergangenen Jahres sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit: Ein 20 Tonnen schwerer Müllwagen kippte damals bei Nagold (Kreis Calw) um und zerdrückte einen PKW. Die fünf Insassen dieses Wagens, darunter ein Säugling, starben. Das junge Paar, deren Kinder sowie die Schwester der Fahrerin: Alle fünf gehören zu zwei großen deutschen Zirkusfamilien. Zur Trauerfeier im Sommer kamen rund 1500 Gäste.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann fahrlässige Tötung vor. Nach bisherigen Erkenntnissen sei der aus Calw stammende Fahrer mit dem Lkw seines Arbeitgebers unterwegs gewesen und zunächst auf einer Gefällestrecke mit angepasster Geschwindigkeit gefahren sein. Vor einer gut einsehbaren und übersichtlichen Linkskurve habe er jedoch beschleunigt. Der Fahrer soll zu spät erkannt haben, dass er zu schnell für die Kurve war, „sodass der Lkw vorhersehbar und vermeidbar außer Kontrolle geriet“, wie es in der Anklage heißt. Beim Einbiegen nach rechts auf die Landstraße sei er wegen der zu hohen Geschwindigkeit nach links auf die Gegenfahrbahn abgedriftet, wo er zur linken Seite und auf den Golf kippte.

Die Vertreter der Opferfamilien, die bei dem Prozess in Tübingen als Nebenkläger auftreten, waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Der Fahrer des Müllwagens habe nach dem Unfall unter schwerem Schock gestanden. Nach Angaben seines Verteidigers sei der Mann in stationäre, später in ambulante Behandlung gekommen. Mittlerweile befinde er sich in einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Arbeitgebers: „Er fährt jedoch nicht.“

Der Rechtsanwalt kündigte an, sein Mandant werde im Prozess Angaben machen. „Wir sind uns alle bewusst, was für ein schrecklicher Fall das ist. Wir haben großen Respekt vor dem Unfall und vor diesem Unglück“, sagte er.

Der Angeschuldigte hatte im Ermittlungsverfahren technische Mängel als Unfallursache angeführt. Einzelheiten hierzu sollen nun in der Hauptverhandlung geklärt werden. Der Sachverständige konnte im Ermittlungsverfahren jedoch „bei den umfangreichen technischen Untersuchungen keine Mängel an dem LKW feststellen, die das Unfallgeschehen erklären könnten“, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft. Vielmehr seien die Bremsen in einwandfreiem und auch der Müllwagen insgesamt in einem gutem Zustand gewesen. Auch seien keine Fehler erkennbar gewesen, die auf ein selbsttätiges Beschleunigen des Lasters schließen ließen. „Es verbleibe ein Bedienfehler des Fahrers als Unfallursache“, heißt es von Seiten der der Staatsanwaltschaft.

Die Verhandlung am Landgericht ist auf drei Tage angesetzt. Es sind sechs Zeugen geladen. Das Urteil wird am 19. März erwartet. In rechtlicher Hinsicht wertet die Staatsanwaltschaft die Tat als fahrlässige Tötung in fünf Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung. Es drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Trauergemeinde spendet letzten Applaus

Rund 1500 Gäste aus aller Welt waren zur Trauerfeier im vergangenen Sommer in den kleinen Ort Mötzingen (Kreis Böblingen) gekommen. Die Zirkusgemeinde verabschiedete die Verstorbenen auf ganz eigene Weise: „Ihre Show ist vorbei“, hieß es in der Trauerrede, „der letzte Vorhang ist gefallen“. Die Trauernden spendeten einen letzten Applaus. ?del