Der zweite Teil der Gangsterthrillers schildert den Aufstieg des Bankräubers Jacques Mesrine zum französischen Volkshelden.

Public Enemy No 1 - Todestrieb

Der zweite Teil der Gangsterthrillers schildert den Aufstieg des Bankräubers Jacques Mesrine zum französischen Volkshelden.

23.11.2015

Von che

Das Tübinger Arsenal-Kino ist immer für eine Überraschung gut. Jüngster Coup: Mit „Todestrieb? läuft jetzt der zweite Teil des Gangsterfilms „Public Enemy No 1?, ohne dass der erste je gezeigt worden wäre. Dabei hat diese Biografie des legendären Bankräubers Jacques Mesrine anders als die meisten Hollywood-Serien eine durchgängige Handlung, die nur aus Respekt vor Kinogängers Sitzfleisch (das Gesamtwerk ist über vier Stunden lang) in der Mitte durchtrennt wurde.

Nun gut. Wem Mesrines charakterliches Gedeihen schnuppe ist und wer verwinden kann, dass einige Figuren nebulös aus dem Nichts auftauchen, der kommt mit diesem Torso trotzdem einigermaßen zurecht. Wissen sollte man allerdings, dass Mesrines Werdegang zum Verbrecher nicht ohne seine empörenden Erfahrungen im Algerienkrieg denkbar ist ? was zum Teil seine eifrige Selbststilisierung zum modernen Robin Hood erklärt.

Bankräuber und Sozialrebell ? eine solche Kombination nimmt selten ein gutes Ende. So setzt Teil zwei folgerichtig mit Mesrines Tod im Jahr 1979 ein, der de facto eine eiskalte Hinrichtung durch die Polizei war. Zeit seiner kriminellen Laufbahn hatte aber auch der Gangster kein Pardon mit Ordnungshütern gekannt, während Normalbürger, die ihm zufällig in die Quere kamen, mit Milde rechnen konnten. Viele seiner Banküberfälle, die er zuweilen mehrmals täglich unternahm, waren mehr dem Verlangen geschuldet, die Staatsmacht zu demütigen, als akuter Geldnot.

Eitel, brutal und verdammt sexy

Die beiden Autoren Jean-Francois Richet (Regie) und Abdel Raouf Dafri (Buch) haben Mesrines Leben akkurat und ohne heldisches Gehabe nachgezeichnet, was sich schlecht mit einem klassischen Spannungsaufbau verträgt. Das stört aber kaum, denn die einzelnen Stationen seiner Spätkarriere sind mit maximaler Dynamik inszeniert. Höhepunkte sind die spektakuläre Flucht aus einem Hochsicherheitstrakt, die nicht unwitzige Entführung eines greisen Immobilienhais und seine legendären Verkleidungen, mit denen er unerkannt sogar durch Polizeireviere spazierte. Zum „Staatsfeind Nummer 1? wurde er aber wohl eher wegen seines unstillbaren Drangs in die Medienöffentlichkeit. Eine Autobiografie und mehrere Zeitungsinterviews festigten seine Reputation als romantischer Räuber im Brecht'schen Sinn: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank??

Ein Glücksfall ist Hauptdarsteller Vincent Cassel, der Mesrines schillernde Persönlichkeit, diesen Mix aus maßloser Eitelkeit, Brutalität, Sexappeal, wirrer politischer Attitüde und medialer Strahlkraft, wuchtig, aber ohne jede Überzeichnung auf den Punkt bringt. Daneben verblassen schauspielerische Hochkaräter wie Mathieu Amalric (als austauschbarer Komplize) und Ludivine Sagnier (als austauschbare Gespielin) zu Stichwortgebern. Gut gelungen ist auch die atmosphärische Rekonstruktion der siebziger Jahre ? allein schon durch den stilistischen Rückgriff auf die großen französischen Gangsterfilme jener Epoche.
Alles in allem kommt man also auch in dieser Rumpf-Biografie auf seine Kosten. Und vielleicht ermöglicht das Arsenal ja doch noch, Jacques Mesrines Leben und Wirken in gebotener Vollständigkeit kennenzulernen ? wenn auch in umgedrehter Reihenfolge.

Public Enemy No 1 - Todestrieb