Rara

Rara

Der Auftaktfilm des Cine Latino handelt von einem zwölfjährigen Mädchen, dessen Mutter in einer lesbischen Beziehung lebt.

01.01.2017

Von Dorothee Hermann

In Chile war es ein Skandal: Das Gerichtsurteil gegen eine Richterin, die das Sorgerecht für ihre Töchter verlor, weil sie in einer lesbischen Beziehung lebte. In ihrem Spielfilmdebüt bezieht sich Regisseurin Pepa San Martín auf den Fall, erzählt aber konsequent aus der Perspektive der Kinder.

Die zwölfjährige Sara strahlt Selbstsicherheit und Stärke aus, als sie festen Schrittes durch ihre Schule geht. Aber die Kamera macht sofort klar, wie allein das Mädchen auf ihrem Weg ist. Sie ist von hinten zu sehen, sodass zunächst nicht abzuschätzen ist, was in ihr vorgeht.

Sara (Julia Lübbert) lebt mit ihrer jüngeren Schwester Cata (Emilia Ossandón) bei ihrer berufstätigen Mutter Paula (Mariana Loyola) und deren Lebensgefährtin Lía (Agustina Muñoz). Die Atmosphäre ist locker. Alle vier essen ebenso gern Pizza vom Lieferdienst wie ein selbst gekochtes Gericht.

Wie nebenbei bekommt Sara mit, dass ihre Familie die Ausnahme ist. Die Großmutter mahnt: „Ihr geht zu weit. Ihr seid hier nicht in New York.“ Als die kleine Schwester in der Schule ein Bild der Zwei-Mütter-Familie malt, werden die leibliche Mutter und der getrennt lebende Vater prompt zur Direktorin bestellt.

Plötzlich fühlt sich Sara gegenüber Gleichaltrigen verunsichert. Sie wird gefragt, ob „das“ erblich sei, fühlt sich genötigt zu sagen, dass sie Jungs mag - und sie scheut sich, ihren Schulschwarm zu ihrer Geburtstagsparty nach Hause einzuladen.

Für die jüngere Cata scheint hingegen alles wie gewohnt. Doch gerade sie spürt, wie es ist, wenn auf einmal alle auf Abstand gehen, und das gewohnte Leben von einem Augenblick auf den anderen auseinanderbricht.

Der Film wird getragen von den beeindruckenden Kinderdarstellerinnen, die jeden Stimmungswechsel mit der kontrollierten Lakonie professioneller Schauspieler verkörpern. Die Schwestern scheinen hilflos dagegen, wie sich Misstrauen und Unsicherheit in ihrem Alltag und in ihren engsten Beziehungen ausbreiten.

Als Sara sich nach einem banalen Streit mit der Mutter an den Vater wendet, setzt sie eine verhängnisvolle Kette von Geschehnissen in Gang. Der Vater ist überhaupt kein Unsympath, aber er weiß Konvention und Justiz auf seiner Seite.

Patchworkfamilie unter Druck - genau beobachtet und mit Humor aus der Sicht der Kinder geschildert.