Horb

Rathauskultur des Nichtwollens

03.07.2020

Von fragt, warum es in Horb kein Autokino gibt

Die Krise, in Horb scheint sie vor sich hin zu plätschern. Es bleibt die allgemeine Corona-Angespannheit, Familien ächzen, viele sind in Kurzarbeit, aber es herrscht das Gefühl, dass das Ding trotz der gravierenden Einschnitte machbar ist.

Was diese Krise jedoch deutlich herausstellt: Die Horber Stadtverwaltung tut sich schwer mit ihrer Zukunftskompetenz, damit, neue Ideen aufzugreifen, dem Suchen von Chancen in einer Krise. Im Horber Rathaus herrscht an einigen Stellen eine Kultur des Nichtwollens. Ein Beispiel: Die roten Fähnchen tauchen überall auf der Google-Maps-Karte auf, in Nagold, in Göttelfingen, Empfingen, Eutingen, Tübingen. Autokinos wurden innerhalb weniger Wochen zum Symbol einer ganzen Branche, der Event-gewordene Mittelfinger in Richtung eines weltweit operierenden, unsichtbaren Gegners. Filme flackern über Leinwände, Musiker spielen Konzerte, das Hupkonzert wird zum Applaus. Mit Geldverdienen hat das wenig zu tun, es ist ein Aufbäumen der Kultur- und Veranstaltungsszene. Die Botschaft: „Dieses Virus kriegt uns nicht klein, Kultur lebt weiter.“

In Horb markiert auf der Karte das rote Fähnchen ebenfalls ein Kino, am Standort, wo vor knapp zehn Jahren der letzte Film über die Leinwand des Lichtspielhauses in der Mühlener Straße lief.

Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, in Horb ein Autokino umzusetzen, noch vor den meisten anderen Städten. Die Stadt hätte zeigen können, dass Kultur lebendig bleibt, trotz Pandemie – verantwortungsvoll, immer mit einem Blick auf geltendes Recht. Hätte können – Konjunktiv.

Es war Mitte April, als sich ein Veranstalter aus der Region bei der Horber Stadtverwaltung meldete. Er wolle ein Autokino veranstalten, Horb wäre „sein erster Gedanke“ gewesen. Den Begriff Autokino kannten zu der Zeit die meisten nur aus amerikanischen Filmen.

Die Stadtverwaltung hatte zwei Richtungen, in die sie gehen konnte. Sie entschied sich für den einfachen Weg: „Wir sahen es zum damaligen Zeitpunkt als nicht angebracht an, städtische Flächen wie z.B. den ehemaligen Exerzierplatz in der Hohenbergkaserne oder den städtischen Festplatz für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen“, antwortet Stadtsprecherin Inge Weber auf die SÜDWEST PRESSE-Anfrage, warum in Horb nie ein Autokino zustande kam. Sie fügt an, dass die Situation von sanitären Einrichtungen und einer eventuellen Verpflegung mit den damals geltenden Regelungen, wörtlich: „Aus unserer Sicht nur schwer hygienetechnisch umsetzbar“ war. Das klingt beim ersten Lesen nachvollziehbar.

In der Retrospektive offenbart diese Antwort jedoch ein grundsätzliches Problem in dem alten Gebäude am Horber Marktplatz. Zusammengefasst lässt es sich in der Formel „schwer umsetzbar“ heißt „nicht machen“ ausdrücken.

Ärgerlich wird die Geschichte beim Blick über die Gemeindegrenzen. Nur zwei Wochen nach der Anfrage im Horber Rathaus schossen die Autokinos in der Umgebung aus dem Boden.

Eutingen machte den Auftakt. Ein Beispiel an Unternehmertum, eine Teamleistung, die zusammenschweißte, neue Erfahrungen, Wir-Gefühl während der Krise.

Horb hätte das auch haben können – Konjunktiv.

Im Endeffekt war es eine Frage des Nichtwollens. Darin steckt eine große Gefahr. Wenn sich dieses Nichtwollen in einer Stadt als Kultur manifestiert, während die Nachbarn Dinge möglich machen – was bleibt dieser Stadt, um sich von der Masse abzuheben?

Diese Stadt, in der es nicht einmal wirklich Hotels gibt, in der es einer Pandemie bedarf, um zu begreifen, dass ein Biergarten auf dem Flößerwasen eine schicke Sache ist, eine Stadt, in der nur wenige Meter neben dem Biergarten noch ein großes Banner hängt, dass man bitte zuhause bleiben möge.

Außergewöhnliche Projektideen für Horb sind rar, noch seltener sind Menschen, die Kraft haben, sie umzusetzen. Eine Stadtverwaltung muss sich in Zeiten einer Krise daran messen lassen, wie sie mit diesen Menschen umgeht. Denn es macht einen bedeutenden Unterschied, ob sich jemand auf das Wort „schwer“ oder auf das Wort „umsetzbar“ konzentriert.

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Erstellt:
03.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 03.07.2020, 01:00 Uhr

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