Ein Fax änderte die Tagesordnung

Regionalverband gegen Ofterdingen: Verwaltungsgerichtshof untersagte Gemeinderatsbeschluss

Niemand hatte daran gezweifelt, dass der Gemeinderat am Dienstagabend die von der Kommunalaufsicht erlassene Veränderungssperre wieder aufheben würde. Doch nur zwei Stunden vor der Sitzung traf im Rathaus ein Fax des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim ein: Der Gemeinde werde dies einstweilen untersagt.

21.04.2016

Von susanne wiedmann

Ofterdingen. Es war Tagesordnungspunkt 4. Die Verwaltung wollte dem Gemeinderat vorschlagen, die Veränderungssperre für das Gebiet zwischen B 27 und Mössinger Straße wieder aufzuheben. Als Rechtsaufsichtsbehörde hatte das Landratsamt Tübingen sie im Dezember erlassen. Ofterdingen legte dagegen Rechtsmittel ein.

Zur Erinnerung: In diesem Gebiet wollen zwei Einkaufsmärkte ansiedeln. Der Regionalverband Neckar-Alb möchte das allerdings verhindern, weil sie den Zielen des Regionalplans widersprächen. Im März bewertete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die als „Ersatzvornahme“ durch das Landratsamt angeordnete Veränderungssperre als rechtswidrig. Deshalb wollte die Gemeinde sie nun wieder aufheben. Und so wie die Ratsmitglieder in den vergangenen Monaten geschlossen hinter Bürgermeister Joseph Reichert standen, konnte man sicher sein, die Entscheidung würde einstimmig fallen. Doch um 16.58 Uhr ratterte das Fax des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in die Amtsstube: „Die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. März wird vorläufig ausgesetzt.“

Also kündigte Joseph Reichert zu Beginn der Sitzung an: „Der Beschluss des VGH ist eindeutig, daran halten wir uns.“ Dennoch fand er es „komisch“, dass dieser so kurz vor der Sitzung eintraf. „Ich denke, da ist jemand vorstellig geworden beim Verwaltungsgerichtshof.“ Und weiter: „Wenn wir heute die Veränderungssperre aufgehoben hätten, hätte das Baurechtsamt über die Voranfragen entscheiden müssen. Jetzt wird das Thema ausgehungert.“

Von der Kommunalaufsicht des Landratsamtes sei er aufgefordert worden, er solle die Entscheidung über die Aufhebung der Veränderungssperre nicht auf die Tagesordnung setzen. Und nicht nur das: „Ein Disziplinarverfahren ist zumindest mündlich angedeutet worden“, berichtete Reichert. „Die dachten, dann knickt Ofterdingen ein. Pech gehabt!“

Die kommunale Selbstverwaltung sei eigentlich ein hohes Gut. „Aber wenn es so läuft. . . !“, empörte sich FWV-Rat Jürgen Adam. „So springt man nicht miteinander um. Der normale Bürger versteht ja die Welt nicht mehr, wenn man sich so verhakt wegen zwei Supermärkten.“ Da die rechtliche Auslegung nicht so eindeutig sei, hätte man doch eine Lösung finden können. „Dabei wäre mit Sicherheit das Abendland nicht untergegangen.“

Auch Reichert findet, dass mit der Gemeinde nicht fair umgegangen werde. Aber für den Regionalverband gehe es um viel, meint Reichert. „Wenn das kippt, braucht man keinen Regionalverband mehr.“ Dem stimmte auch SPD-Rat Hartmut Blaich zu. „Es wird ein Grundsatzprozess.“

Der Regionalverband habe den Verwaltungsgerichtshof über die Tagesordnung des Ofterdinger Gemeinderats informiert, teilte VGH-Richter und Pressesprecher Matthias Hettich auf TAGBLATT-Nachfrage mit. Der Gemeinde sei daraufhin die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden. „Sie hat aber keine Stellung bezogen“, betonte Hettich. Er habe bereits am 11. April eine Stellungnahme beim VGH eingereicht, beteuerte indes der Rechtsanwalt der Gemeinde, Volker Bettin von der Kanzlei Dr. Kroll & Partner, gegenüber unserer Zeitung.

Warum hat der VGH den Beschluss verhindert? „Während eines laufenden Verfahrens dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden“, erklärte Hettich. Deshalb habe der VGH vorläufig untersagt, dass die Veränderungssperre aufgehoben werde. „Das ist ja nur eine Zwischenentscheidung“, betonte Hettich. Als wir Anwalt Bettin mit dieser Aussage konfrontierten, entgegnete er: „Die Erteilung einer Baugenehmigung ist doch keine vollendete Tatsache!“ Damit sei ja nicht in der Hauptsache entschieden. Verbandsdirektorin Angela Bernhardt erklärte auf Anfrage: „Für uns war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen nicht ganz nachvollziehbar.“ Deshalb habe der Regionalverband in Absprache mit der Kommunalaufsicht beim VGH Beschwerde eingelegt. „Wir haben gesagt, dass keine Entscheidung getroffen werden kann, bevor nicht in der Hauptsache entschieden worden ist.“ Nämlich, ob das Planungsgebot rechtmäßig sei.

Fürchtet der Regionalverband auch einen Gesichtsverlust? „Damit hat das nichts zu tun. Es ist eine Grundsatzentscheidung darüber, wie es der Gesetzgeber sieht“, so Bernhardt. Wie der Regionalverband seine planerische Festsetzung rechtlich wirksam umsetzen könne.

Am Anfang habe er versucht, zwischen Ofterdingen und dem Regionalverband zu vermitteln, erklärte Landrat Joachim Walter. „Das ist nicht gelungen. Aber es ist ja auch nicht so, dass nach einem gerichtlichen Verfahren alles Porzellan zerschlagen ist.“ Ein Gerichtsentscheid diene ja auch dazu, Rechtsfrieden herzustellen. „Es ist kein Schaden, wenn man weiß, was Sache ist. Ich sehe das auch als Chance.“

Er habe vorab die Gemeinde gebeten, die Veränderungssperre nicht aufzuheben, bestätigte der Landrat. „Wir wollten verhindern, dass Fakten geschaffen werden.“ Hat er auch mit einem Disziplinarverfahren gedroht? „Man hat nur gesagt: Wenn man sehenden Auges mehrfach gegen unsere Rechtsauffassung handelt, muss getan werden, was getan werden muss. Aber das will ja niemand.“ Die Gemeinde sollte vor vorschnellen Entscheidungen bewahrt werden. „Uns ist das recht, dass es der VGH gemacht hat“, versicherte Walter. „Der Ausgang ist offen, man sollte das nicht zu dramatisch sehen.“ Und noch etwas: „Wir sind nicht persönlich über Kreuz.“

Joseph Reichert sagte: „Wir haben alles gemacht, was machbar ist.“ Die Frage sei nun, wie lange die Investoren noch Interesse hätten. Denn, so Anwalt Bettin: „Im Moment besteht auf gerichtlicher Ebene keine Eile.“