Lila Mercedes vor gelbem Raps

Regisseur Marcus H. Rosenmüller plauderte über Farben und Vorlieben

Ob „Wer früher stirbt ist länger tot“ oder „Sommer in Orange“ – Regisseur Marcus H. Rosenmüller ist einer der erfolgreicheren Filmemacher in Deutschland. Und ein sehr symphatischer Vertreter Bayerns. Zu sehen und zu hören war dies am Donnerstagabend bei einem Werkstattgespräch im Kino „Museum“.

24.08.2016

Von Wolfgang Albers

Er kann sich vorstellen, dass es sich in Tübingen gut leben lässt: Regisseur Marcus H. Rosenmüller im Werkstattgespräch mit Susanne Marschall. Bild: Faden

Er kann sich vorstellen, dass es sich in Tübingen gut leben lässt: Regisseur Marcus H. Rosenmüller im Werkstattgespräch mit Susanne Marschall. Bild: Faden

Tübingen. „Beste Zeit“, „Beste Gegend“, „Beste Chance“ sind die Titel einer Rosenmüller-Trilogie. In Anlehnung daran hatte Susanne Marschall ihr Werkstattgespräch unter die Rubrik „Beste Farben – Beste Töne“ gestellt. Die Professorin vom Institut für Medienwissenschaften hatte damit im Rahmen der Konferenz „Farbe im Kopf – Von der Wahrnehmung zur Kunst“ auch jedem Filmfan die Chance gegeben, Marcus H. Rosenmüller kennenzulernen.

Immerhin war es sein erster Besuch in Tübingen – und er verteilte gleich mächtig Komplimente an die Stadt: „Ich bin ganz begeistert und kann mir vorstellen, dass man hier gut leben kann.“ Dem leidenschaftlichen Gedichteschreiber ist auch gleich ein Ort zum Dichten aufgefallen: „Da unten am Neckar ist so ein Turm, da könnte man sicher gut schreiben.“

Vielleicht klang die Einladung ein bisschen zu theoretisierend – der große Museumssaal war jedenfalls eher dünn besetzt. Aber der knitze Oberbayer hob gar nicht in die Höhen der Theorie ab. Ja sicher, mit Farben hat er schon bewusst gearbeitet: Da bekommt im „Sommer in Orange“ das dumpfe Bürgermilieu schon mal einen extra Braunfilter, während die Welt der Bhagwan-Jünger (ihr Eintreffen in einem stockkonservativen bayerischen Dorf ist das Thema des Filmes) noch intensiver ins Orange getunkt wurde. Er hat viel mit Farbfiltern gearbeitet, sagte der Regisseur – musste er auch, weil er noch viel mit dem 35-mm-Film gedreht hat.

In „Beste Zeiten“ kurven die beiden Hauptdarstellerinnen in einem Mercedes herum, den Marcus H. Rosenmüller lila lackieren ließ. Eine Schlüsselszene sollte dann an einem Rapsfeld spielen: Lila vor Knallgelb. „Aber als wir zum Drehen kamen, war der Raps längst verblüht.“ Immerhin: „Der Mercedes wurde hinterher verkauft, und manchmal seh‘ ich ihn noch heute in München herumfahren.“

Rosenmüller plauderte auch über die Hintergründe. Etwa beim Thema Schuld. Die spielt ja im „Wer früher stirbt ist länger tot“ eine große Rolle, wo der elfjährige Sebastian sich schuldig am Tod seiner Mutter fühlt. Und deshalb auch Fegefeuer-Albträume hat – eine von mehreren Sequenzen, die in dem Gespräch eingespielt wurden. Ob da der bayerisch-katholische Background durchschlage, wollte Susanne Marschall wissen.

Ja schon, stimmte der Regisseur zu: „Als Kind habe ich oft ein schlechtes Gewissen gehabt, etwa wenn ich keine Hausaufgaben hatte.“ Was öfter vorkam, denn nach der Schule fühlte er sich nur noch frei – und zog mit seinen Freunden ab in den Wald. „Ich hab da wahnsinnig viel Zeit verbracht, und mit zwei Freunden haben wir sogar manche Nächte im Wald geschlafen.“ Die Mutter hatte keine Einwände, er musste nur versprechen, keinen Blödsinn zu machen: „Da habe ich mich auch dran gehalten – meistens.“

Die Zeit hat er bestens in Erinnerung: „Die Natur spielt für mich eine große Rolle. Ich merke, dass nur das Kraft gibt.“ Aber: Die Morgen, wenn der junge Marcus zur Schule ging, waren mit der fehlenden Hausaufgabe nicht so toll. Auf seinem Weg kam er an einer Mariensäule vorbei – und büßte traditionell: „Ich hab da schnell einige Ave Marias gebetet und hab das sogar gesteigert, mit Luftanhalten. Ich hab mich da regelrecht gegeißelt.“

Aber nicht nur eigene Ängste, sondern auch Vorlieben finden Niederschlag in seinen Filmen. In „Beste Chancen“ tanzen zwei ältere Herren aus Bayern om-entrückt auf dem indischen Land. Tiefste Pampa, aber der Drehort war nicht leicht zu finden: Es musste unbedingt ein Stromleitungsmast mit ins Bild. „So eine Szene gibt es auch in dem Film ‚Indien‘ von und mit Josef Hader, und dieses Filmzitat wollte ich unbedingt.“

Schließlich noch „Sommer in Orange“. Der Film lief durch, und Marcus H. Rosenmüller lieferte die Interpretation: „Für mich gibt es da auch eine innere Geschichte: Das Hängen an Regeln, aber auf der anderen Seite die Sehnsucht nach Rausch und Ekstase. Ich habe für beide Seiten großes Verständnis. Und denke: Jeder muss da seinen Weg finden.“

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Erstellt:
24.08.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 24.08.2016, 01:00 Uhr

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