Terrorverdacht

Reichsbürger-Razzien: Einsätze in Horb und im Kreis Tübingen

Bei einer der größten Razzien gegen eine terroristische Vereinigung der letzten Jahre sind auch in Horb und im Kreis Tübingen mehrere Menschen festgenommen worden.

07.12.2022

Von fux/hz/dpa

Polizeieinsatz auf dem Hohenberg in Horb. Bild: Manuel Fuchs

Polizeieinsatz auf dem Hohenberg in Horb. Bild: Manuel Fuchs

Vor einem Gewerbegebäude im Horber Stadtteil Hohenberg stehen zwei maskierte Beamte. Außerdem mehrere Polizeibusse sowie fünf schwarze Kombis und eine Limousine mit Großstadtkennzeichen, teils mit Magnet-Blaulicht. Die Beamten vor Ort dürfen keine Auskunft zum Einsatz geben. Auch das Landeskriminalamt hält sich bedeckt. Mutmaßlich richtet sich der Horber Einsatz aber gegen den Initiator einer Kundgebung im Zusammenhang mit der Querdenkerszene. Am Rande der Horber Altstadt läuft in einer angeblich illegal errichteten Immobilie ein weiter Einsatz: Beamte sperren die Zufahrt, berichteten am Mittwochvormittag unsere Reporter vor Ort.

Das Landeskriminalamt (LKA) bestätigt später, dass es auch im Landkreis Tübingen Einsätze gab, ohne aber genaue Orte zu nennen. Die Bundesanwaltschaft hatte am Morgen dem Zollern-Alb-Kurier gesagt, dass es im Kreis Tübingen zwei Festnahmen gab. Später wurden gegenüber dem Tagblatt drei daraus.

Nähere Angaben zu den Ergebnissen der Durchsuchungen in der Region und wo genau die Verdächtigen festgenommen wurden, sagte auch die Bundesanwaltschaft nicht, so der ZAK am Mittwoch. Der SWR stellt inzwischen eine Verbindung zwischen einem Einsatz in Boxberg und dem „szeneweit bekannten Reichsbürger Matthes H. aus Tübingen“ her.

Auch laut Informationen der Neckar-Chronik in Horb richtete sich ein Einsatz in einem Horber Teilort gegen einen Mann namens Matthes H.. Auf der am Mittwoch veröffentlichten Liste der Generalbundesanwaltschaft (GBA) mit mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer terroristischen Vereinigung wird ein Mann namens Matthias H. aufgeführt. Er soll laut GBA-Auskunft neben Andreas M. und Rüdiger v. P. einer von drei am Mittwoch zumindest vorläufig Festgenommenen aus dem Kreis Tübingen sein.

Auf Nachfrage stellte die Bundesanwaltschaft aber klar, dass es sich bei Matthias H. nicht um Matthes H. handelt, wie verschiedentlich gemutmaßt wurde. Matthes H. aus einem Tübinger Teilort hatte die Justiz schon vor 20 Jahren im Visier, unter anderem weil dieser sich „vorläufiger Reichspräsident“ oder „Präsident der Nationalversammlung“ nannte.

Bei Rüdiger v. P. dürfte es sich um einen ehemaligen Kommandeur des Calwer Fallschirmjägerbataillons 251 handeln, der zusammen mit Heinrich XIII P. R. als Rädelsführer einer rechtsextremen Reichsbürgergruppe gilt. Teile des 1996 aufgelösten Bataillons 251 wurden anschließend in das Kommando Spezialkräfte (KSK) mit Standort in Calw übernommen.

Auch gegen einen aktiven Soldaten aus dem KSK-Stab sowie mehrere Bundeswehr-Reservisten ermittelt die Bundesanwaltschaft. Haus und Dienstzimmer des KSK-Soldaten in der Calwer Graf-Zeppelin-Kaserne wurden durchsucht, berichtet die Deutsche Presseagentur (DPA).

Im Kreis Freudenstadt wurde laut GBA ein Ralf S. festgenommen. Nach Recherchen der Neckar-Chronik handelt es sich dabei mutmaßlich um den Initiator einer Kundgebung im Zusammenhang mit der Querdenkerszene, der im Februar 2021 zu einem einen Autokorso gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie aufgerufen hatte.

Der Südwesten sei ein Schwerpunkt der Durchsuchungen gegen mutmaßliche Reichsbürger, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Mittwochmorgen in Karlsruhe. Insgesamt wurden 25 Männer und Frauen festgenommen. Durchsuchungen habe es in rund 15 Stadt- und Landkreisen zwischen Main und Bodensee gegeben. Rund 3000 Beamte seien in insgesamt elf Bundesländern im Einsatz. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, einen gewaltsamen Umsturz des Staates vorbereitet zu haben.

Ein mutmaßlicher Reichsbürger aus dem Zollernalbkreis steht unter dem dringenden Verdacht, Straftaten gebilligt und mehrere Menschen mit dem Tod bedroht zu haben. Außerdem werden dem vorbestraften 45-Jährigen Beleidigung und versuchte Nötigung vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft Hechingen am Mittwoch weiter mit. Wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr erließ das Amtsgericht Hechingen Haftbefehl gegen den Mann. Der Fall habe aber nichts mit der bundesweiten Razzia gegen die Reichbürgerszene am Mittwoch zu tun, wie die Behörde zugleich betonte.